Protest bei Verkehrsministerkonferenz in Duisburg

Wenig Impulse für sozial-ökologischen Umbau – Infrastrukurerhalt im Mittelpunkt

Andrea Büngeler (l), Vorständin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Nordrhein-Westfalen, und Kerstin Ciesla (M), stellvertretende Landesvorsitzende des BUND, im Gespräch mit Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen.
Andrea Büngeler (l), Vorständin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Nordrhein-Westfalen, und Kerstin Ciesla (M), stellvertretende Landesvorsitzende des BUND, im Gespräch mit Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen.

Vielleicht sollte Duisburg als Ort der Verkehrsministerkonferenz ein bisschen für Aufbruch stehen. Immerhin, die Ostseite des Hauptbahnhofs ist nicht mehr wiederzuerkennen. Über Jahre wurden die Fenster dort von Dreck, Graffiti und Klebestreifen aneinander gehalten. Eine Designerin erhob die skurillen Linien aus Gaffer-Tape sogar zum Modeaccessoire und verewigte sie auf Socken. Heute ist es anders. Die Ostseite des Hauptbahnohfs schmücken neue Scheiben und ein wellenförmiges Dach. 260 Millionen Euro kostet die Sanierung und ist laut Bahn im Zeitplan.

Ein erfolgreiches Projekt, davon scheint es momentan nicht allzu viele zu geben. Zumindest mussten sich die Verkehrsminister*innen im Vorfeld der Konferenz von allen denkbaren Seiten Kritik anhören. Das Thema, das wohl die meisten Menschen bewegt, die sich für eine soziale Verkehrswende interessieren, brachten der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Form eines Positionspapiers auf den Punkt, das sie an Oliver Krischer (Grüne), NRW-Verkehrsminister und Vorsitzender der Konferenz, übergaben. Die beiden Verbände setzen sich für ein bundesweit gültiges Sozialticket zum Preis von 29 Euro ein. Angesichts der Verteuerung des Deutschlandtickets auf 58 Euro sei diese Forderung noch drängender, so die Auffassung der Verbände. »Das Geld für ein bundesweites Sozialticket ist nicht da? Eine Frage der Prioritäten, die Politik muss umsteuern! Wir sprechen hier von der Daseinsvorsorge für zahlreiche Bürger*innen«, so Andrea Büngeler, Vorständin des Paritätischen in Nordrhrein-Westfalen. »Immer mehr Infrastruktur für immer größere Autos hilft dagegen wenigen – und schadet dem Klima. Klimaverträgliche Mobilität darf kein Luxus sein, sondern muss für alle bezahlbar bleiben«, fordert Büngeler. Ähnlich äußert sich Kerstin Ciesla, stellvertretende Landesvorsitzende des Bund. Klima- und soziale Gerechtigkeit gehörten »untrennbar« zusammen. Eine dauerhafte, stabile Finanzierung dafür sei möglich, das Geld sei da, wenn Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) aufhören würde, »Milliarden für klimaschädliche Subventionen und Straßenneubau zu verschwenden«, so Ciesla.

Der FDP-Politiker war auch Hauptadressat des Protests von Gewerkschafter*innen der Bahngewerkschaft EVG. Auf einer Kundgebung am Mittwochvormittag standen dort die Debatten um eine mögliche Zerschlagung der Bahn im Mittelpunkt. »Kümmern Sie sich lieber um Aufgaben, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegen«, richtete der EVG-Vorsitzende Martin Burkert einen Appell an den Verkehrsminister. Das seien bundesweit einheitliche, repräsentative Tarifverträge mit verpflichtenden Ausbildungsquoten und mehr Anstrengungen für die Sicherheit von Bahnmitarbeiter*innen. »40 Prozent unserer Kolleginnen und Kollegen werden mindestens einmal im Jahr Opfer von Gewalt. Dabei werden 70 Prozent der Übergriffe gar nicht gemeldet.« schilderte der EVG-Chef die Situation. Die Länder müssten dafür Lösungen finden, Burkert denkt, die Pflicht zur Ausschreibung von Sicherheitspersonal, doppelt besetzte Schichten und mehr Videoüberwachung könnten helfen. Zerschlagungsdebatten seien nicht hilfreich. Falls diese konkreter werden sollten, kündigte der Gewerkschafter an: »Duisburg war erst der Anfang. Wir kommen wieder und werden unseren Protest durch ganz Deutschland tragen.«

Die Gewerkschaft kann dabei auf die Unterstützung von Fridays for Future (FFF) setzen. »Für uns ist besonders wichtig, dass wir hier geeint mit vielen verschiedenen Personengruppen stehen. Bahnbeschäftigte an Seite von Klimaaktivisten, Rentnerinnen an Seite von Schülerinnen. Wir zeigen, dass wir gemeinsam hinter den Forderungen für eine sozial gerechte Verkehrswende stehen«, so Linda Kastrup, FFF-Aktivistin aus Duisburg. Die wichtigste Forderung aus Kastrups-Sicht: »Das Deutschlandticket darf nicht teurer werden. Je günstiger das Ticket, desto mehr Menschen fahren mit Bus und Bahn, und je mehr Menschen mit Bus und Bahn fahren, desto effektiver ist der Klimaschutz.«

Im Zentrum der Verkehrsministerkonferenz stand die Frage nach einem sozial-ökologischen Umbau des Verkehrs nicht. Bei der abschließenden Pressekonferenz stellte Oliver Krischer einen Beschluss zu Fassung eines Verkehrsinfrastrukturfonds in den Vordergrund. Bei dem Thema habe sich in den letzten Monaten wenig getan. In einer Arbeitsgruppe wollen die Landesverkehrsminister*innen die Ausarbeitung eines solchen Fonds vorantreiben. Wobei der NRW-Verkehrsminister auch eingestand, dass letztlich der Bund für die Umsetzung verantwortlich sei. Mehrere Minister*innen betonten, wie wichtig der Fonds sei, um die Infrastruktur von Straße, Schiene, und Wasserwegen zu erhalten. Von dem Fonds erhoffen sie sich langjährigere Finanzierungen, die Unsicherheiten beseitigen. Zur Finanzierung des Fonds sollen unter anderem die Einnahmen aus Lkw-Maut und Trassengebühren herangezogen werden.

Zum öffentlichen Verkehr machten die Verkehrsminister*innen nur vage Angaben. Petra Berg (SPD) aus dem Saarland erklärte, man sei sich einig, dass es eine »langfristige Finanzierungsperspektive für den ÖPNV geben muss«, dies sei eine Voraussetzung für den Erfolg des Deutschlandtickets.

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