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Warum Staaten sich ungleich entwickeln

Wirtschaftsnobelpreis 2024 geht an drei Institutionenforscher von US-Universitäten

Bei der Präsentation der diesjährigen Preisträger
Bei der Präsentation der diesjährigen Preisträger

Er galt schon lange als heißer Kandidat für den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, jetzt bekommt er ihn: Daron Acemoglu. Der Ökonom vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), drittmeist zitierter Wissenschaftler seines Fachs, wurde ausgezeichnet »für Studien darüber, wie Institutionen gebildet werden und sich auf den Wohlstand auswirken«, wie die schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm bekannt gab.

Geboren in Istanbul als Sohn armenischer Eltern, galt der heute 57-Jährige schon in der Ausbildungszeit als Wunderkind und ging früh an die renommierte Universität MIT. Als Motivation seiner Forschung nannte Acemoglu einst den »Versuch, die Ursachen der Armut zu verstehen«. Sein konkretes Forschungsfeld ist die Ungleichheit zwischen Nationen. Für Aufsehen in der Fachwelt sorgte eine 2001 im Fachblatt »American Economiv Review« veröffentlichte Untersuchung mit dem Titel »The Colonial Origins of Comparative Development« – die beiden Ko-Autoren Simon Johnson (MIT) und der Brite James A. Robinson (University of Chicago) haben den Nobelpreis jetzt mitbekommen. Die Arbeit führt die Ursachen für Ungleichhheit auf die Kolonialzeit zurück. In bis heute armen Staaten seien damals »extraktive«, rein auf Ausplünderung ausgerichtete Institutionen errichtet worden. Dies geschah, so der empirische Befund, vor allem in Gegenden, die vor der Kolonialzeit wohlhabend waren und wo die Siedler mit gefährlichen Krankheiten zu kämpfen hatten. Bis heute versuche eine kleine politische Elite in diesen Ländern jegliche Veränderung zu verhindern. Das Gegenstück sind demnach »inklusive« Institutionen – nur diese ermöglichten Reformen, technologische und wirtschaftliche Entwicklung.

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Acemoglu vor gut zehn Jahren mit seinem zusammen mit Robinson verfassten, nicht-akademischen Buch »Warum Nationen scheitern«, das breit und äußerst kontrovers diskutiert wurde. Während die einen darin eine Art »Weltformel« zu finden glauben, kritisieren andere, dass zahlreiche Faktoren wie Geopolitik oder natürliche Ressourcen ausgeblendet würden. Bill Gates hält die Analyse für »vage und vereinfachend«. Nichtsdestotrotz ist Acemoglu seither gefragter Gast in US-Medien zu allen möglichen wirtschaftspolitischen Themen. Was auch daran liegen dürfte, dass die Dichotomie von Demokratien und Autokratien, worauf seine Arbeit gerne verkürzt wird, dem Zeitgeist entspricht.

Infrage gestellt wird seine Grundthese durch empirische Befunde: die wirtschaftlichen Erfolge von Ländern wie China. Bei der Pressekonferenz zur Nobelpreisverleihung darauf angesprochen, sagte er, solche Länder könnten zwar kurzfristig Wachstum mobilisieren. Dies wäre aber nicht von Dauer. Dies wären sie nur dann, wenn sich die Institutionen entsprechend mitverändern.

Das Forschungsfeld der drei Preisträger ist die politische Ökonomie, die sich vom traditionellen Mainstream unterscheidet, der lange mit rein wirtschaftlichen Modellen und Marktgläubigkeit die Welt zu erklären versuchte. Die Forscher werden der Schule der Neuen Institutionenökonomik zugerechnet. Selbst Kritiker halten Acemoglu zugute, dass er als Erster seiner Zunft solche Fragen nach der Ungleichheit von Nationen stellte. Er selbst sieht sich in der Tradition einer starken Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie und ist Gegner Donald Trumps – dieser sei eine Gefahr für demokratische Institutionen.

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