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Nazis lernen lesen

Alle Jahre wieder: Rechte Verlage auf der Buchmesse in Frankfurt am Main

  • Katja Thorwarth
  • Lesedauer: 4 Min.
»Und wo sind die Bilder?«: Das bücherhungrige Jungvolk betrachtet ein Buch.
»Und wo sind die Bilder?«: Das bücherhungrige Jungvolk betrachtet ein Buch.

Die Bilder von der Frankfurter Buchmesse 2017 gingen um die Welt. Und zwar nicht wegen »Francfort en Français«, dem wichtigsten Kulturprojekt, das Frankreich jemals in Deutschland bis dato umgesetzt hatte. Größter Aufreger waren die Proteste und handgreiflichen Auseinandersetzungen am 14. Oktober, dem besucherstarken Messe-Samstag, als am späten Nachmittag in Halle 4.2 das reinste Chaos herrschte. Es waren die Bilder von einem hilflos wirkenden Buchmessechef Jürgen Boos, einem immensen Polizeiaufgebot und triumphierend auftretenden Protagonisten der extrem rechten »Identitären Bewegung«.

Unerwartet kamen die Tumulte nicht, schließlich hatte der seit 2024 als rechtsextrem eingestufte Antaios-Verlag um Götz Kubitschek ein Podium veranstaltet, bei dem neben »Identitären«-Vertretern auch AfD-Mann Björn Höcke oder Antaios-Autor Martin Semlitsch aka Martin Lichtmesz sprechen sollten.

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Höcke blieb trotz einiger Zwischenrufe unbehelligt; als jedoch Semlitsch und Caroline Sommerfeld die Bühne betraten, wurden die Gegenproteste lauter. Polizei und Sicherheitsdienste griffen in das Geschehen ein, und »Identitären«-Chef Martin Sellner prahlte im Nachgang von der »Übernahme der Buchmesse«.

2018 wollte man es besser machen, weshalb die Buchmesse für die extrem rechten Verlage eine kleine Sackgasse reservierte (»eine Art Ghetto«, hieß es vom rechtsoffenen »Tichys Einblick«), die sie vom restlichen Lesetrubel isolieren sollte. Eine Höcke-Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlief geräuschlos, sieht man von Martin Sonneborns (Die Partei) Auftritt als Stauffenberg einmal ab. Ein Boykott der Messe durch Schwarze Autorinnen wegen Sicherheitsbedenken folgte 2021.

2024 werden Forderungen, extrem rechte Verlage auszuschließen, von der Messeleitung nach wie vor negativ beschieden: Aushalten müsse man das, sonst »können wir den Laden auch gleich zumachen«, hatte Jürgen Boos bereits 2017 dem »Spiegel« gesagt. Doch lokale Politiker*innen, wie etwa Mirrianne Mahn (Ex-Grüne, mittlerweile ÖkoLinX), sehen das Hausrecht aufseiten der Messe und sprechen von einem Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung. Boos, dem der Rücktritt bereits nahegelegt wurde, weicht von seinem Kurs nicht ab.

Dennoch sind die »rechten Verlage« Thema, auch wenn Kubitscheks Antaios-Verlag in diesem Jahr nicht präsent sein wird. Dafür präsentiert sich der Karolinger-Verlag in Frankfurt am Main, der von Schnellroda aus einen Online-Shop betreibt.

Ein bekannter Gast ist auch der Ahriman-Verlag. In Freiburg ansässig, erhielt er von der Buchmesse Wien 2020 keine Zulassung mehr. In Frankfurt darf ausgestellt werden, und zwar trotz der sogenannten »Ketzerbriefe«, die der »Bund gegen Anpassung« vertreibt. Dort werden unter anderem Martin Sellners »Remigrations«-Vorschläge diskutiert oder Aufkleber verkauft, die »Bevölkerungsreduktion ist der beste Umweltschutz« (1,50 Euro) propagieren. Als »Ideologiefreie Wissensquelle« macht Ahriman von sich Werbung, obwohl die Inhalte – antigrün, prorussisch und pro AfD – emanzipatorische Bewegungen in der Konsequenz verurteilen, so wie sie Autorität – »In memoriam Saddam Hussein« – positiv bewerten.

Bereits in den 90er Jahren inserierte Ahriman in der »Jungen Freiheit«, bis 2022 Dauergast auf der Bücherschau in Frankfurt. Vor zwei Jahren noch hatte sich Chefredakteur Dieter Stein für »30 Jahre Messeteilnahme« gefeiert; das als Sprachrohr der »Neuen« Rechten geltende Blatt ist für 2024 allerdings nicht angemeldet. Dafür jedoch der Silberschnur-Verlag. Der bezeichnet sich selbst als einer der »Pioniere für esoterische und spirituelle Literatur«; bekannt wurde er durch die rechtsesoterische Anastasia-Buchreihe von Wladimir Megre. Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent sagte dem RBB 2019, dass die Anastasia-Bücher »kulturellen Rassismus und Antisemitismus« transportierten und »ideologische Muster« bedienten, »die wir auch aus dem Nationalsozialismus kennen«.

Und sonst? Mit der Deutschen Vereinigung für eine christliche Kultur (DVCK) werden auch christliche Fundamentalisten ihre Botschaft verbreiten, die sich hauptsächlich gegen Abtreibung, das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare und »Gotteslästerung« aussprechen. Mediale Aufmerksamkeit erlangte die DVCK durch ihre bundesweite Kampagne gegen die Jugendzeitschrift »Bravo«.

Erwähnenswert vielleicht noch, dass Italien als diesjähriges Gastland fungiert, weshalb sich zur Eröffnung am 15. Oktober der italienische Kulturminister Alessandro Giuli angekündigt hat. Der engagierte sich früh in der rechtsextremen Bewegung Meridiano Zero und veröffentlichte 2007 ein Buch, das »ganz der italienischen postfaschistischen Rechten gewidmet ist«, wie die Online-Zeitschrift »Finestre sull’Arte« formuliert. Auf den Auftritt des Getreuen der postfaschistischen Regierungschefin Giorgia Meloni darf man durchaus gespannt sein.

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