Ein matschiges Sondierungsergebnis in Thüringen

Brombeer-Partner wollen keine Vereinbarung mit den Linken

Andreas Bühl (CDU), Katharina Schenk (SPD) und Tilo Kummer (BSW) (v.l.n.r.) präsentieren die Druckschrift mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche.
Andreas Bühl (CDU), Katharina Schenk (SPD) und Tilo Kummer (BSW) (v.l.n.r.) präsentieren die Druckschrift mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche.

Erfurt. Sollte es in den nächsten Monaten zur Bildung eines Regierungsbündnisses aus CDU, BSW und SPD in Thüringen kommen, wollen diese drei Parteien zum Beispiel über zu verabschiedende Gesetzentwürfe auch mit den Landtagsfraktionen von AfD und Linken reden. Ein mögliches sogenanntes Brombeer-Bündnis werde ein »Konsultationsverfahren« einführen, bei dem Dinge, die durch den Landtag gebracht werden müssen, von allen im Landtag vertretenen Fraktionen bewertet werden sollen, ehe sich das Kabinett der Landesregierung damit befasse. Dies bestätigte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Andreas Bühl, am Freitag bei der Vorstellung des in den vergangenen Wochen erarbeiten Sondierungspapiers in Erfurt.

In dem Dokument schließen die möglichen Koalitionspartner aber zugleich eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch aus. »Es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD, Gespräche zu notwendigen parlamentarischen Verfahren und Entscheidungen sind aufgrund der Sperrminorität zu führen«, heißt es dort. Die potenziellen Partner wollen allerdings auch auf eine Vereinbarung mit Die Linke verzichten. »Es bedarf keiner gesonderten Vereinbarung mit der Linken, das schließt Gespräche zu Sachfragen nicht aus«, steht im Text.

Bühl sprach davon, mit 44 von 88 Abgeordnetensitzen im Landtag würde eine Brombeer-Koalition über eine »De-facto-Mehrheit« im Parlament verfügen. Sollten alle Parlamentarier anwesend sein, braucht es jedoch mindestens 45 von 88 Stimmen, um ein Gesetz oder einen Antrag durchs Parlament zu bringen. Wären nicht alle Abgeordneten im Plenarsaal anwesend, würden auch 44 von 87 oder weniger Stimmen für eine Mehrheit reichen.

Wie Bühl lobten auch der parlamentarische Geschäftsführer der BSW-Landtagsfraktion, Tilo Kummer, und die stellvertretende Thüringer SPD-Vorsitzende Katharina Schenk neben dem Inhalt des Papiers auch das Klima der Sondierungsgespräche. Das, was CDU, BSW und SPD vereinbart hätten, werde zu einer wirklichen Entlastung der Menschen in Thüringen führen, sagte Kummer. Schenk sprach davon, die potenzielle Koalition wolle eine »Gerechtigkeitsoffensive« beginnen.

Inhaltlich haben sich die drei Parteien in ihrem Papier unter anderem darauf verständigt, für die Familien von Kindergarten- und Grundschulkindern den »Einstieg in ein gesundes, warmes und kostenfreies Mittagessen« zu versuchen; also nach Wegen zu suchen, die Kosten für die entsprechenden Mahlzeiten zu bezuschussen. In der Migrationspolitik will das potenzielle Bündnis »eigene Abschiebehaftplätze für Ausreisepflichtige schaffen«. Und bei der Energiegewinnung soll es beim grundsätzlichen Verbot von Windkraft im Wald bleiben, Kommunen sollen aber von diesem Grundsatz abweichen können.

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Die Linke – auf deren wie auch immer geartete Unterstützung eine mögliche Dreierkoalition angewiesen wäre, wenn sie wirklich keine Zusammenarbeit mit der AfD will – kritisierten das Sondierungsergebnis. »So wird das nichts«, sagte der Ko-Vorsitzende der Thüringer Linken, Christian Schaft, zu »nd«. Bei den Sondierungen habe sich offenkundig die CDU durchgesetzt, die eine Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ablehnt. Das vorgestellte Sondierungspapier bestehe inhaltlich aus vielen Belanglosigkeiten. »Viel Wollen, wenig Konkretes«, sagte Schaft. Das, was in dem Papier vernünftig sei, hätten die drei Parteien bei Rot-Rot-Grün abgeschrieben. »Und das Papier hat keine Antwort, wie die schon jetzt matschige Brombeere eine Mehrheit finden will«, sagt der Politiker.

Der in den vergangenen Wochen innerhalb der eventuellen Koalition ausgesprochene und kontrovers diskutierte Themenkomplex Krieg und Frieden ist in dem Sondierungspapier fast komplett ausgeklammert worden. Trotz des Beharrens der BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht, die ohne ein Bekenntnis unter anderem zur Forderung nach mehr Diplomatie im Ukraine-Konflikt keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen wollte. »Dem Thema Frieden in Europa werden wir in den kommenden Verhandlungen Raum verschaffen und mit einer Standortbestimmung im Rahmen einer möglichen Präambel gemeinsam begegnen«, heißt es in dem Sondierungspapier lediglich.

Am Freitagabend werden die Landesvorstände von CDU und BSW das Papier beraten, am Samstag folgt dann eine Beratung im Landesvorstand der SPD. Wenn diese drei Gremien das Sondierungspapier billigen, sollen in der nächsten Woche Koalitionsverhandlungen beginnen.

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