Sören Benn tritt aus Linke aus: Wieder einer weniger

Pankows Ex-Bezirksbürgermeister Sören Benn erklärt Austritt

Der ehemalige Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn
Der ehemalige Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn

Die Zerfallserscheinungen in der Berliner Linkspartei nach dem Antisemitismus-Eklat beim Landesparteitag vor zwei Wochen halten an: Nachdem in der vergangenen Woche bereits Udo Wolf, ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, die Partei verließ, erklärte nun auch Sören Benn, ehemaliger Bezirksbürgermeister in Pankow, seinen Austritt.

Benn stand von 2016 bis 2023 an der Spitze des Bezirks Pankow, zuvor hatte er für fünf Jahre der Bezirksverordnetenversammlung angehört. Auf seinem Blog veröffentlichte er nun seine Austrittserklärung nach 24 Jahren Mitgliedschaft in der Linken. Grund sei ein längerer »Entfremdungsprozess«. Er wolle nun »eine ehrliche Trennung einer unredlich gewordenen Bindung den Vorzug geben«. Der Linken fehle es an einer Strategie, wie die Partei mit anderen »fortschrittlichen Kräften« zusammenarbeiten wolle. »Die Partei ist kein Gestaltungsprojekt, sondern ein Identitätsprojekt«, so Benn. »Sie mutiert zu den Zeugen Jehovas der Politik.«

Besonders heftig geht Benn mit der Linkspartei in der Frage des Umgangs mit Antisemitismus ins Gericht: »Dass es bei der Frage, ob dem Pakt zwischen Iran, Hamas und Hisbollah gegen Israel eliminatorischer Antisemitismus inhärent ist oder nicht, Zweifel gibt, verwundert«, schreibt der ehemalige Bezirksbürgermeister. Es sei absurd, dass manche Linke meinten, sie könnten Antisemitismus bei sich selbst ausschließen.

Vom Bezirksvorstand der Linkspartei in Pankow erntet Benn Verständnis für seinen Schritt: »Wir sind sehr traurig, einen wichtigen Mitstreiter in der Sache aus guten Gründen verloren zu haben«, schreiben die Bezirksvorsitzenden Sandra Brunner und Oskar Lederer auf nd-Anfrage. Benn sei ein »großartiger Kommunalpolitiker, der sich überparteilich großen Respekt erworben hat«.

Die nächste Zerreißprobe für Die Linke könnte schon am Dienstagabend anstehen: Dann will der Landesvorstand zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um den Bundesparteitag auszuwerten. Auf der Tagesordnung steht auch ein Antrag des geschäftsführenden Landesvorstands, der sich gegen »öffentliche Diffamierung« einzelner Linke-Mitglieder richtet. Gemeint sind damit aber nicht nur die Gruppe um die Ex-Senatoren Klaus Lederer und Elke Breitenbach, die den Landesparteitag verließen, nachdem die Mehrheit der Delegierten einen Antrag zu Antisemitismus an entscheidenden Stellen abgeschwächt hatte, sondern auch die Genossen, die sich gegen den Antrag gestellt hatten.

Man sei »bestürzt über den Ausgang und die Außenwirkung« des Landesparteitags, zitiert der »Tagesspiegel« aus dem Antrag des geschäftsführenden Landesvorstands. Man bedauere, »dass der Streit und der Auszug eines Teils der Delegierten die mediale Berichterstattung dominierten«. Nach einem Zugehen auf die Genossen, die möglicherweise die nächsten Austrittskandidaten sein könnten, klingt das nicht.

»Wir wollen uns mit den Vorwürfen auseinandersetzen«, sagt dagegen Landesvorsitzende Franziska Brychcy zu »nd«. »Der Landesparteitag ist nicht gut verlaufen.« Es sei ärgerlich, dass keine gemeinsame Position im Kampf gegen Antisemitismus gefunden wurden konnte. Dabei sei klar, dass sich die Linkspartei unmissverständlich gegen Antisemitismus stelle.

Im Nachgang des Landesparteitags sei es allerdings zu »Diffamierungen« gekommen. Das gelte sowohl für die Gruppe um Lederer, der vorgeworfen werde, das Leid in Gaza zu ignorieren, als auch für Delegierte aus den Bezirksverbänden Neukölln und Mitte, die als »Hamas-Unterstützer« diffamiert würden. »Wir dulden keine Zusammenarbeit mit der Hamas«, sagt Brychcy. Das zu unterstellen, sei »einfach falsch«.

Um weitere Mitglieder vom Austritt abzuhalten, führe man aktuell intensive Gespräche. »Wir werben für einen Verbleib«, sagt Brychcy. »Eine Linke ohne Klaus Lederer kann ich mir nicht vorstellen.«

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