Viel Geduld für den Megaknoten

Die schwierige Finanzlage bremst den Bahnausbau in Berlin, stoppt ihn aber nicht

Man muss nur lange genug warten, dann kommt der Bahnausbau schon. Auch am Bahnhof Spandau.
Man muss nur lange genug warten, dann kommt der Bahnausbau schon. Auch am Bahnhof Spandau.

»Man merkt schon, dass wir jetzt da ein Stück weit bergauf kämpfen«, sagt Alexander Kaczmarek. Investitionen in die Eisenbahn-Infrastruktur seien kein »Selbstläufer« mehr, weil sie »dem Klima und dem Weltfrieden« dienten, erklärt der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Es ist eine bemerkenswerte Vorrede, die er beim vom Berliner Fahrgastverband IGEB organisierten Fahrgastsprechtag am Montagabend im elften Stock des Berliner Hauptbahnhofs hält, bevor er über den Schienenausbau in der Region berichtet.

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Schnell kommt er auf die Siemensbahn zu sprechen, seiner Ansicht nach das »Flaggschiff« unter allen Projekten. 2029 soll die 4,5 Kilometer lange S-Bahn-Strecke, die am Bahnhof Jungfernheide von der Ringbahn abzweigt und bis zum Bahnhof Gartenfeld führt, wieder in Betrieb gehen. Vor rund einem Jahr wurden die Kosten für die Wiederinbetriebnahme der 1980 stillgelegten Strecke in einer internen Unterlage auf 877 Millionen Euro geschätzt.

Ein Planfeststellungsverfahren wird nur für einen kleinen Teil benötigt, vor allem für den Bereich um den Ringbahnhof Jungfernheide, beim Rest handelt es sich um die rechtlich viel schlichtere Erneuerung der formal nie stillgelegten Altstrecke. Bisher seien keine großen Probleme beim Verfahren zu erkennen, berichtet Kaczmarek. 2025 sollen erste Bauarbeiten starten, richtig losgehen mit dem Bau soll es 2027.

Beim Fahrgastverband IGEB ist man nicht ganz so optimistisch, dass die Inbetriebnahme bereits 2029 gelingt. Das liegt am anstehenden Neubau der kreuzenden Rudolf-Wissell-Brücke der A100. IGEB-Chef Christfried Tschepe verweist auf die Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens. Denen zufolge soll für fünf Jahre eine Baustraße just auf dem Trassee der Siemensbahn angelegt werden. Somit könnten S-Bahnen dort erst irgendwann in den 2030er Jahren fahren.

Kaczmarek versucht, die Bedenken zu zerstreuen, schließlich werde seit Beginn des Projekts über die Koordinierung der zeitgleich laufenden Bauarbeiten gesprochen. »Da brennt nichts«, unterstreicht er.

»Es mag jetzt vielleicht 10, 20 oder bei manchem vielleicht auch 30 Jahre dauern. Aber wir machen uns mal auf den Weg.«

Alexander Kaczmarek Deutsche Bahn

Er sei mittlerweile »ganz froh«, dass entschieden wurde, für die meisten bereits laufenden Projekte des gemeinsam mit den Ländern Berlin und Brandenburg aufgelegten Bahnausbau-Programms i2030 Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) zu beantragen. Der Bund gewährt Zuschüsse bis zu 90 Prozent für Wiederinbetriebnahmen von Bahnstrecken. Denn der Topf sei »relativ vernünftig gefüllt«.

Bundesweit sollen ab kommendem Jahr zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das ist durchaus eine Hypothek für die hochfliegenden U-Bahn-Pläne der schwarz-roten Koalition, bei denen ebenfalls auf hohe GVFG-Zuschüsse gesetzt wird. Denn bei ihnen wird auf eine relativ gleichmäßige Verteilung über alle Bundesländer geachtet.

»Die Regularien sind schwierig und die Abläufe etwas komplex, aber zumindest haben wir da eine Chance, dass wir mit den Maßnahmen, die wir mit den beiden Ländern vereinbart haben, auch weiterkommen«, sagt Kaczmarek über das GVFG.

Hingegen ist der geplante bis zu sechsgleisige Ausbau der Bahnstrecke von Berlin-Spandau bis Nauen für Fern-, Regional- und S-Bahn in den Bedarfsplan des Bundes für den Schienenwegeausbau gerutscht. Doch wegen der Haushaltsprobleme im Bund ist derzeit vollkommen unklar, wann mit einer Realisierung gerechnet werden kann.

»Da müssen wir halt sehen, wie wir da weiterkommen und welche Module man aus der Gesamtkonstruktion herauslösen kann«, sagt Kaczmarek. Er nennt den Ausbau des Bahnhofs Spandau als eine der Maßnahmen. Zwei zusätzliche Bahnsteiggleise und der Umbau der Verzweigung Richtung Berlin könnte die Kapazität deutlich erhöhen und Verspätungen reduzieren. Kaczmarek hofft, auch die Verlängerung der S-Bahn von Spandau bis zur Großsiedlung Falkenhagener Feld vorziehen zu können. Ihr wurde ein hoher Nutzen-Kosten-Faktor bescheinigt.

»Berlin ist jetzt als sogenannter Megaknoten definiert«, erklärt Kaczmarek zudem. Das ist Voraussetzung, damit der Bund Maßnahmen finanziert, um die Kapazität zu erhöhen. Sowohl der Nord-Süd-Tunnel und die Strecke weiter Richtung Spandau als auch die Verbindung von Potsdam über die Stadtbahn gelten inzwischen offiziell als überlastet. Der Ausbau des Knotens sei bisher nur unter potenziellem Bedarf gelistet, aber zuvor sei er »überhaupt nicht im Bundesverkehrswegeplan drin« gewesen.

Kaczmarek lobt noch einmal das Projekt i2030, bei dem die Länder Berlin und Brandenburg 2017 vereinbart hatten, die Ausbauplanung vorzufinanzieren und erst dann prüfen, wie der Bau bezahlt werden kann. Rund 200 Kilometer Strecken sollen in der Region neu oder ausgebaut werden, bei aktuell geschätzten Kosten von 10,8 Milliarden Euro. »Es mag jetzt vielleicht 10, 20 oder bei manchem vielleicht auch 30 Jahre dauern. Aber wir machen uns mal auf den Weg.«

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