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Nachruf auf Lothar König: Pfarrer und Punk
Ein Leben lang unbequem: Zum Tode des Antifaschisten Lothar König
2019 erzählte Lothar König im Gespräch mit dem »nd«, er wolle fortan bei Demos etwas kürzertreten. Der langjährige Jugendpfarrer von Jena war da mit 65 gerade formal in den Ruhestand gegangen. Politisch werde er sich natürlich trotzdem weiter engagieren, das könne er gar nicht anders aufgrund der Zustände der Welt, meinte er. »Es gehört sich nicht, Menschen im Mittelmeer ersaufen zu lassen und wenn neben mir jemand Hunger hat, dann gebe ich ihm etwas ab«, sagte König damals, als Selbstverständliches schon längst nicht mehr selbstverständlich war.
Bewegte Jahre lagen hinter ihm. 1954 im Norden Thüringens geboren, legte er sich schon als Jugendlicher mit dem Staat an. Als 15-Jähriger schrieb er nach der Niederschlagung des Prager Frühlings »Dubček« an eine Hauswand. Im Hof der Eltern gab es daraufhin eine Hausdurchsuchung. Es zieht Lothar König also in der DDR zu den Unangepassten, den »Langhaarigen«. Er entdeckt den Rock’n’Roll, setzt sich mit kritischer Literatur und Spiritualität auseinander.
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Nach einer Lehre zum Zerspanungsfacharbeiter machte König in Eisenach eine Ausbildung zum Diakon, in Erfurt und Jena studiert er in den 1970er Jahren Theologie. Oppositionelles und antiautoritäres Denken war in den kirchlichen Kreisen dort verbreitet. 1986 wurde König Jugendpfarrer in Merseburg. Die Stasi überwachte ihn. Doch er ließ sich nicht einschüchtern und schloss sich 1989 der Bürgerbewegung Neues Forum an.
1990 übernimmt König die Pfarrstelle der Jungen Gemeinde Stadtmitte in Jena. Die offene Arbeit der evangelischen Kirche war bereits vor 1989 einer der wenigen Orte, an dem gesellschaftliche Gegenentwürfe erprobt werden konnten. Für kritische und nichtangepasste Jugendliche gab es hier auch weiter ein Zuhause.
Die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt, die Brutalität der »Baseballschläger-Jahre«, nahm jedoch einen immer größeren Raum ein. Neonazis überfielen die Junge Gemeinde, eine Freundin der NSU-Terroristin Beate Zschäpe verprügelte Königs damals 14-jährige Tochter Katharina. 1997 schlagen Burschenschafter auf König ein. Die Narbe über dem rechten Auge ist ihm davon geblieben. Er kannte die späteren Mitglieder des NSU, warnte vor der Radikalisierung der Szene, aber davon wollte niemand etwas wissen. Als linker »Nestbeschmutzer« geriet König selbst ins Visier der Behörden, die Polizei durchsuchte die Gemeinderäume.
In den 2000er und 2010er Jahren sah man König und seinen blauen VW-Kastenwagen auf unzähligen linken Demonstrationen, vor allem in Ostdeutschland. Als es 2011 in Dresden zu erfolgreichen Blockaden gegen einen Neonazi-Aufmarsch kam, suchten die Behörden einen Sündenbock. Teile der Polizei und der Staatsanwaltschaft wandten enorme Energie auf, um König die Verantwortung für Auseinandersetzungen mit der Polizei zuzuschieben und ihn zu kriminalisieren.
Die Vorwürfe waren hanebüchen. In der Folge wurden Absprachen von Beamten zu Falschaussagen und die Manipulation von Beweismitteln bekannt. Es folgte die Einstellung des Verfahrens gegen König. Doch Freude kam angesichts der finanziellen und nervlichen Kosten nicht auf.
In den folgenden Jahren setzte sich der Pfarrer weiter unermüdlich gegen das Erstarken der AfD und für eine humane Asylpolitik ein. Drohungen von Neonazis, auch gegen seine Tochter Katharina König-Preuss, Abgeordnete der Linken im Thüringer Landtag, waren die Folge. In Gesprächen mit Freund*innen und Angehörigen, in seinen letzten Dienstmonaten und nach dem Beginn des Ruhestandes ist König in der Dokumentation »König hört auf« seines Sohnes Tilman zu erleben.
Am 21. Oktober ist er im Alter von 70 Jahren verstorben. »Bis zum Ende blieb er Fußballer, Punk und ›Langhaariger‹«, schreibt seine Familie. Er sei streitbar und oft unbequem gewesen, habe aber auch mit seinem unermüdlichen Protest und seinem Glauben inspiriert. »Er bleibt ein Symbol, für andere Menschen einzustehen, und für die Kraft, weiterzumachen, wenn es schwer wird.«
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