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Scholz in Indien: Fachkräfte-Werbung und grüne Energie
Eine breite Themenpalette erwartet den Kanzler bei den Regierungskonsultationen in Indien
Mit mehreren Kabinettsmitgliedern und etlichen Firmenchefs im Gefolge reist Bundeskanzler Olaf Scholz zur nächsten Runde der deutsch-indischen Regierungskonsultationen nach Delhi. Die schon engen Wirtschaftskontakte sollen abermals vertieft werden.
Scholz und sein indisches Pendant Narendra Modi wissen inzwischen, wie der jeweils andere »tickt« – bei diversen Gelegenheiten konnten sie bereits auf Tuchfühlung gehen. Etwas mehr als ein Jahr liegt der G20-Gipfel in der indischen Hauptstadt Delhi zurück, bei dem es ein Wiedersehen auch mit bilateralem Austausch gab. Bereits im Februar 2023 hatte der Kanzler, ebenfalls eine große Wirtschaftsdelegation im Schlepptau, Indien besucht. Modi wiederum weilte zur vorigen Runde der zweijährigen Regierungskonsultationen im Mai 2022 in Berlin. Seinerzeit bezeichnete Scholz Indien als »zentralen Partner in Asien«.
Die vielen Kooperationen, die es schon gibt, sollen weiter ausgebaut werden, wofür der Besuch die Basis legen soll.
Die vielen Kooperationen, die es schon gibt, sollen weiter ausgebaut werden, wofür der Besuch die Basis legen soll. Zu den sieben oder acht mitreisenden Ministern gehört Hubertus Heil (ebenfalls SPD). Bei den Begegnungen des Arbeitsministers wird die Fachkräfteanwerbung aus Indien im Fokus stehen. Während es zum einen um die Besetzung freier Stellen in der Pflege geht, wo der Bedarf besonders dringend ist, werden auch weitere IT-Experten vom Subkontinent gesucht. Und selbst in der deutschen Baubranche, heißt es, sind indische Spezialisten sehr wohl willkommen, um den einheimischen Fachkräftemangel zu kompensieren.
Diese Anwerbung deckt sich durchaus mit indischen Interessen. Denn im bevölkerungsreichsten Land der Erde mit über 1,4 Milliarden Einwohnern drängen jedes Jahr viele Menschen neu auf den Arbeitsmarkt. Jugendarbeitslosigkeit ist ein wachsendes Problem – viele junge Inderinnen und Inder sind frustriert, dass sie in der Heimat trotz guter Abschlüsse keine adäquate Anstellung finden. Zwar steht die Bundesrepublik mit der fremden Sprache nicht auf Platz eins der Wunschliste im Ausland. Aber Daten aus dem Arbeitsministerium sprechen für sich: 2015 arbeiteten 23 000 Fachleute aus Indien in Deutschland – im Februar 2024 waren es schon 137 000. Und ein neues digitales Visum soll bürokratische Erleichterung bringen.
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Die Regierungskonsultationen reichen bis 2011 zurück und sollen die bereits im Jahr 2000 beschlossene »Strategische Partnerschaft« mit konkreten Vereinbarungen unterfüttern. Im Ergebnis nehmen die Handelsbeziehungen zu: Schon 2022 war ein Rekordwert erreicht worden, 2023 gab es laut Statistischem Bundesamt ein weiteres Plus um fünf Prozent auf ein Volumen von 33 Milliarden US-Dollar. Bei den Exporten nach Indien ist der Maschinenbau mit einem Anteil von 27 Prozent die führende Branche, deren Ausfuhren überdurchschnittlich um ein Zehntel anstiegen. Die immensen Bestellungen indischer Airlines beim Flugzeugbauer Airbus bringen diese Branche mit 16 Prozent auf Rang zwei. Die Deutsch-Indische Handelskammer spricht von rund 1700 deutschen Firmen, die in Indien aktiv sind – viele wollen laut einer Umfrage vom August ihre Investitionen noch ausweiten. Umgekehrt sind es 200 indische Unternehmen hierzulande.
Während Verteidigungsminister Rajnath Singh bereits im Vorfeld mit seinem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius (SPD) telefonierte und neben gemeinsamen Militärübungen auch Aspekte der Rüstungskooperation wie ein U-Boot-Projekt diskutiert werden dürften, gibt es aus dem Hause des grünen Wirtschafts- und Klimaschutzministers Robert Habeck ein ganz großes Thema: Indien soll im größeren Stil »grünen« Wasserstoff liefern, wie schon im Grundsatz vereinbart wurde. Im September 2022 fand das Kick-off-Treffen der Indo-German Green Hydrogen Task Force statt. Und als die Europäische Investitionsbank Anfang Februar 2023 der India Hydrogen Alliance beitrat, kündigte sie eine Förderung von Wasserstoffprojekten mit einer Milliarde Euro an. Diese Technologie steckt in Indien aber noch in den Kinderschuhen.
Anders sieht es bei den erneuerbaren Energien aus, die in der am stärksten wachsenden großen Volkswirtschaft nun 40 Prozent der Stromproduktion abdecken – damit hat die Modi-Regierung ihre Zielmarke für 2030 deutlich schneller erreicht. Grüner Wasserstoff soll irgendwann in Zukunft Antriebsmittel in der indischen Schifffahrt werden, wie der zuständige Minister Pralhad Joshi kürzlich am Rande einer Nachhaltigkeitskonferenz in Hamburg mitteilte.
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