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Berlin: Senat begräbt Entfristung
Postdoktoranden sollen doch nicht dauerhaft an Unis angestellt werden
Die Senatswissenschaftsverwaltung vollzieht eine 180-Grad-Wende – zum Nachteil vieler wissenschaftlicher Nachwuchskräfte: Die Entfristungsregelung für Postdoktoranden im Berliner Hochschulgesetz soll nicht weiter verfolgt werden. Man wolle von der Regelung »Abstand nehmen«, erklärte ein Sprecher der Senatsverwaltung am Dienstag gegenüber »Table Media«.
Die in Paragraf 110, Absatz 6 festgehaltene Regelung sollte eigentlich die Arbeitsbedigungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs verbessern: Alle promovierten Mitarbeiter sollten demnach eine unbefristete Stelle erhalten, sofern ihre Stellen nicht der Qualifizierung dienen. Ebenfalls von der Regelung ausgeschlossen werden sollten Promovierte, die für Drittmittelprojekte arbeiten. Beschlossen wurde die Regelung 2021 von der damaligen rot-rot-grünen Koalition – gegen heftige Kritik der heutigen Regierungspartei CDU. Zuletzt kündigte die Senatsverwaltung im vergangenen Jahr an, das Inkrafttreten der Regelung um ein Jahr auf 2025 verschieben zu wollen.
Dass sich der Senat nun ganz von der Regelung verabschiedet, ist überraschend. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) war usprünglich eine der Abgeordneten, die das Vorhaben überhaupt erst angestoßen hatten. Den Gesinnungswandel erklärt die Senatsverwaltung nun mit juristischen Bedenken: »Eine Rechtsprüfung hat ergeben, dass wir die verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich auch in der herrschenden Meinung der juristischen Experten niederschlägt, für nicht abwegig halten«, schreibt die Senatswissenschaftsverwaltung auf nd-Anfrage. Der Bund habe mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz abschließend von der konkurrierenden Gesetzgebung im Arbeitsrecht Gebrauch gemacht. »Auch wenn dies sehr bedauerlich ist, bringt uns dies dazu, von der gegenwärtigen Regelung Abstand nehmen zu müssen«, so die Senatsverwaltung. Das Berliner Hochschulgesetz soll nun erneut geändert werden.
Von den Berliner Universitäten gibt es Unterstützung für die Wende: »Berlin hat in diesem Bereich keine Gesetzgebungskompetenz«, sagte HU-Präsidentin Julia von Blumenthal am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zur Eröffnung der Berlin Science Week. Die HU hatte mit ähnlichen Argumenten bereits vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Entfristungsregelung geklagt. »Berlin braucht die Möglichkeit, Postdocs zu befristen«, so von Blumenthal. Denn die Entfristungsregel verhindere, das nachkommende Postdoktoranden auf frei werdende Stellen nachrücken könnten. »Wir müssen die dann an das Ausland oder Drittmittelprojekte verweisen«, sagte von Blumenthal.
Die HU-Präsidentin forderte allerdings auch, dass neue, unbefristete Stellenkategorien im Mittelbau geschaffen werden müssten. »Für viele ist die Professur heute nicht mehr das Ziel«, so von Blumenthal. Dies müsse sich auch in der Stellenstruktur wiederfinden. Sie forderte, Dauerstellen für vor allem in der Forschung tätige Wissenschaftler zu etablieren – als sogenannte »Researcher«. Dauerstellen in der Lehre sehe sie dagegen kritischer. »Das würde dem Humboldtschen Bildungsideal widersprechen«, so von Blumenthal. Dies sehe vor, dass Lehrende immer auch in der Forschung tätig sein sollen.
Die Senatswissenschaftsverwaltung kündigt ähnliches an. »Um den Grundgedanken der gegenwärtigen Regelung beizubehalten, hat sich die Senatswissenschaftsverwaltung entschieden, mit dem Researcher und Lecturer innovative neue Dauerstellenkategorien im Berliner Hochschulgesetz zu etablieren«, heißt es auf nd-Anfrage. So sollen Karrierewege neben der Professur ermöglicht werden. Dazu solle »eine Art Tenure-Track« geschaffen werden. Im englischen Sprachraum beschreibt dieser Begriff Vertragskonstellationen, die wissenschaftlichen Mitarbeitern einen graduellen Aufstieg zu unbefristeten Stellen ermöglichen.
Aus der Opposition kommt Kritik an der Kehrtwende der Senatorin. »Hier wird eine unliebsame Gesetzesänderung abgeschossen«, sagt Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion, zu »nd«. Dies sei »nicht ehrlich gegenüber den Menschen, die große Hoffnung in die neue Regelung« gesteckt hätten. Die Regelung im Berliner Hochschulgesetz berühre nicht den Regelungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. »Vor Gericht würde das standhalten«, ist Schulze überzeugt.
Die neuen Stellenkategorien sieht Schulze nicht als adäquate Alternative zur generellen Entfristung. Diese seien »nutzlos«. Weil sie für die Hochschulen nicht verpflichtend seien, würden sie in Zukunft kaum genutzt werden, prophezeit er. »Freiwillig wird da gar nichts passieren«, so Schulze. Für die Professoren seien befristete Stellen »bequemer«. Dabei könnte der Wegfall der Entfristung schwere Schäden für die Berliner Wissenschaft anrichten: »Viele Nachwuchskräfte werden Berlin jetzt verlassen«, warnt Schulze.
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