Die drei üblichen Verdächtigen

Melanie Jaeger-Erben hat sich zu ökologische Transformationsstrategien geäußert - die Kommentare danach waren zum Teil grenzwertig

Klima-Debatte in der Öffentlichkeit – Die drei üblichen Verdächtigen

Nachhaltigkeitsforschende arbeiten per se eng an und mit verschiedenen Öffentlichkeiten. Denn wir wollen nicht nur verstehen, warum wir uns in diesem zerstörerischen wir störrischen System der Nicht-Nachhaltigkeit befinden. Es geht auch um die gemeinsame Entwicklung von Wegen raus aus dem Schlamassel.

Ich sehe mich als Nachhaltigkeitsforscherin in der Pflicht, das Thema in der Öffentlichkeit präsent zu halten und dabei auch thematische Reibungsflächen zu bieten. Lieber Reibung als Ignoranz. Allerdings zeigt sich gerade bei Medienauftritten, dass unabhängig vom thematischen Fokus fast schon ritualisiert dieselben Reibungsflächen entstehen.

So hatte ich in der vergangenen Woche das große Vergnügen, bei »jung & naiv« zu Gast zu sein, einer Interviewsendung, die sich laut ChatGPT als »politik-nah«, »unkonventionell« und »niedrigschwellig« beschreiben lässt. Eine tolle Gelegenheit, auch um durch eine Auswertung der Kommentare in sozialen Medien zu beobachten, wo bestimmte Nachhaltigkeitsthemen derzeit stehen. Und siehe da: Es fanden sich wieder die drei üblichen Verdächtigen als Reaktionen.

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Erstens: die Entgrenz-Begrenz-Ambivalenz. Es gibt es eine hohe Sensibilität für Grenzen: Immer, wenn Wissenschaft sich dazu versteigt, Empfehlungen zu naturverträglichem Konsum mit einer konkreten Zahl zu verbinden – etwa wie viel Kilogramm Fleisch pro Woche in ein passables CO2-Budget passen –, ist die Empörung ob der Bevormundung groß. Gleiches passiert aber auch, wer – wie ich – eher auf den Dialog setzt à la: Wir wissen, dass es Grenzen geben muss, lasst uns mal drüber reden. Dann ist das »Wischiwaschi« oder – Zitat aus einem Kommentar– »Weichei-Gelaber«. Klare Kante oder große Offenheit, beides wird verlangt und abgelehnt, dazwischen scheint es nichts zu geben.

Zweitens: der Naivitätsvorwurf. Wer mit seiner Forschung Transformationsprozesse unterstützen möchte, muss sich zunächst auf die Gelingensbedingungen konzentrieren wie den Gemeinschaftssinn oder die Fürsorge der Menschen, bevor es an die Bearbeitung der Hürden geht. Also Augen auf für das Gute. Seit einiger Zeit scheint genau dies jedoch ein Fehler zu sein: Wer das Gute sieht, meint es schlecht. Oder ist zumindest naiv. Eigentlich paradox, denn wer steht morgens auf, geht Beziehungen ein oder probiert ein neues Hobby mit der Erwartung: Wird ja eh nix? Einer Person, die sich für Wandel engagiert, wird genau dies aber zum Vorwurf gemacht.

Und drittens: die Inkonsistenzkeule. Nicht zuletzt gibt es die generalisierte Erwartung, dass Nachhaltigkeitsforschende eine blütenreine CO2-Weste haben müssten, sonst dürften sie sich mit diesem Thema nicht befassen. Sobald ich dann mal fallen lasse, dass ich für ein Forschungsprojekt geflogen bin, werde ich unglaubwürdig. Als würde es meine Arbeit nur einen Deut besser machen, wenn ich mich als Idealtypus richtigen Handelns präsentieren würde.

So erwartbar wie verständlich diese Reaktionen sind, leider verhindern sie häufig einen echten Austausch, weil sie die kommunizierende Person an den Pranger stellen und die Inhalte dahinter verschwinden. Nun sind Nachhaltigkeitsforschende eben auch Menschen. Vielleicht schicke ich das nächste Mal ChatGPT ins Interview.

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