Gute Vorsätze, schlechte Zeiten

Melanie Jaeger-Erben bezweifelt, dass individuelles Konsumverhalten die Umwelt retten kann

Klima und Umwelt – Gute Vorsätze, schlechte Zeiten

Der Jahresanfang ist die Zeit der guten Vorsätze. Mit frisch überwundenem Silvesterkater und schwindenden Plätzchenresten formieren sich die Truppen unserer moralischen Selbstoptimierung. Mehr Sport, weniger Zucker und nicht selten auch: etwas mehr für die Umwelt tun. Vielleicht weniger Einwegplastik nutzen? Mehr Fahrradfahren? Gute Vorsätze sind die kleinen Helden des Alltags: tapfer und gut gemeint – und in Anbetracht der immensen und sich verschärfenden Umweltprobleme scheinen sie immer mehr zur ambitionierten Wirkungslosigkeit verdammt.

Private Umweltschutzvorsätze wirken wie ein symbolisches Pflästerchen auf die klaffenden Wunden des Planeten. Während der Eispanzer der Antarktis schmilzt, ganze Landstriche in Flammen aufgehen und die globalen Temperaturen immer neue Rekorde erreichen, reduzieren wir unsere Handlungsmöglichkeiten auf die heroische Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, Hafer- statt Kuhmilch in unseren Cappuccino zu kippen.

Die Privatisierung der Verantwortung ist das große Kunststück der gesellschaftlichen und politischen Bearbeitung der Klimakrise. Sie hat es geschafft, uns zu überzeugen, dass wir als Alltagsmenschen die maßgeblichen Dirigent*innen der Klimasymphonie sind. Der Taktstock heißt Konsumentscheidung, die Notenblätter sind voll von Fairtrade- und Umweltzeichen, das Orchester spielt an der Ladenkasse. Wenn der Planet untergeht, dann passiert das wohl, weil wir vergessen haben, die Energiesparlampen einzuschrauben.

Melanie Jaeger-Erben

Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.

Natürlich ist das individuelle Handeln nicht irrelevant. Das Private bleibt weiterhin politisch. Wenn mehr Menschen weniger fliegen, weniger Fleisch essen und weniger häufig ihre digitalen Endgeräte wechseln, dann wird der vermeintliche Verzicht normaler und akzeptierter, verliert seinen Schrecken. Doch die Konzentration auf die Mikroentscheidungen des Alltags hat einen angenehmen Nebeneffekt für die ganz Großen: Sie können im Hintergrund weitermachen wie bisher. Während wir diskutieren, ob Bambuszahnbürsten besser sind als Plastikmodelle, erzielen die fünf größten Ölkonzerne der Welt Rekordgewinne. Kein noch so ambitionierter privater Verzicht wird die fossilen Subventionen der G20-Staaten in Milliardenhöhe ausgleichen. Keine vegane Diät wird Kohlekraftwerke abschaffen oder die globale Schifffahrt dekarbonisieren.

Gute Vorsätze fühlen sich so gut an, weil sie Kontrolle und Niedrigschwelligkeit suggerieren. Es ist einfacher, sich vorzunehmen, das nächste Mal den Bus zu nehmen, als zu fordern, dass der gesamte öffentliche Nahverkehr flächendeckend ausgebaut und kostenfrei wird. Es ist bequemer, beim nächsten Einkauf Bio-Obst zu kaufen, als politische Maßnahmen einzufordern, die die industrielle Landwirtschaft revolutionieren.

Sollen wir gute Vorsätze aufgeben? Natürlich nicht. Aber wir sollten sie in ihren richtigen Kontext stellen. Mit dem guten Vorsatz, für strukturelle Veränderungen zu kämpfen. Nicht nur weniger zu kaufen, sondern mehr zu verlangen: von unseren Politiker*innen, unseren Unternehmen, Arbeitgebern und von uns selbst.

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