Machtwechsel in Vilnius

Bei der Parlamentswahl in dem baltischen Staat werden Sozialdemokraten zur stärksten Kraft

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Vilija Blinkeviciute braucht nach dem Wahlsieg ihrer Sozialdemokratischen Partei für eine Regierungsbildung Koalitionspartner.
Vilija Blinkeviciute braucht nach dem Wahlsieg ihrer Sozialdemokratischen Partei für eine Regierungsbildung Koalitionspartner.

Vilnius. Das baltische EU- und Nato-Land Litauen steht vor einem Machtwechsel. Nach der zweiten und entscheidenden Runde der Parlamentswahl am Sonntag in Litauen zeichnet sich ein Sieg der oppositionellen Sozialdemokraten ab. Per Stichwahl wurden 63 nach der ersten Runde verbliebene Parlamentssitze als Direktmandate vergeben. Im ersten Durchgang am 13. Oktober waren 70 Mandate nach Parteilisten und acht Direktmandate bestimmt worden.

Nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission in Vilnius holten die Sozialdemokraten in beiden Wahlrunden insgesamt 52 der 141 Sitze im Parlament – und damit 39 mehr als bei der vorherigen Wahl vor vier Jahren. Die zusammen mit zwei liberalen Parteien bislang regierende konservative Heimatpartei erreichte demnach 28 Sitze.

Die Menschen in Litauen hätten für Wandel gestimmt, sagte die Chefin der Sozialdemokraten, Vilija Blinkeviciute. »Sie brauchen eine komplett neue Regierung«, fügte die bisherige EU-Abgeordnete am Wahlabend hinzu. Um sie zur Regierungschefin machen zu können, sind die Sozialdemokraten auf Koalitionspartner angewiesen. Blinkeviciute will nun ein Mitte-links-Bündnis bilden. »Wir, die Sozialdemokraten, haben einen historischen Sieg errungen«, sagte die Politikerin am Montag.

Gemeinsam mit der Partei Für Litauen (14 Sitze) und dem Bund der Bauern und Grünen (8 Sitze) wollen die Sozialdemokraten die bisherige Koalition der regierenden konservativen Vaterlandsunion von Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte ablösen.

Die geplante Dreier-Koalition würde auf eine knappe Mehrheit im Parlament kommen, in dem auch noch die neu gegründete populistische Partei Morgenröte von Nemunas (20 Sitze) vertreten ist. Eine Koalition unter Beteiligung der Populisten hatten die Sozialdemokraten ausgeschlossen. Zudem gelang auch noch mehreren kleineren Parteien und unabhängigen Kandidaten der Sprung in die Volksvertretung Seimas.

Ein Regierungswechsel würde in Litauen, das an die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad und Moskaus Kriegsverbündeten Belarus grenzt, vor allem zu innen- und sozialpolitischen Veränderungen führen. Viele Litauer sind besorgt wegen stark gestiegener Lebenshaltungskosten. Dies machten die Sozialdemokraten zu ihrem Kernthema im Wahlkampf – sie wollen unter anderem die Renten erhöhen und Sozialleistungen verbessern.

Außen- und sicherheitspolitisch dürfte der Baltenstaat weiter klar auf EU- und Nato-Linie bleiben und an seiner entschlossenen Unterstützung der Ukraine festhalten. Die beiden großen Parteien vertreten hier ähnliche Positionen. Für Sicherheit und Verteidigung müssten so viele Mittel wie nötig bereitgestellt werden, sagte Blinkeviciute. Die Militärausgaben sollen demnach weiterhin über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen.

Litauen ist durch seine Lage an der Nato-Ostflanke in der geopolitischen Konfrontation mit Russland besonders exponiert und betrachtet Moskaus Krieg gegen die Ukraine auch als direkte Gefahr für seine eigene Sicherheit. Deutschland will eine gefechtsbereite Brigade mit bis zu 5000 Soldaten in Litauen stationieren. Ein entsprechendes Abkommen hatte die Seimas vor der Wahl einstimmig ratifiziert. Die Brigade soll bis 2027 einsatzfähig sein. dpa/nd

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