Birgit Malsack-Winkemann: Unfreiwillig entlarvend

Verschwörungsglaube und Adligenverehrung vor Gericht

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 3 Min.
Birgit Malsack-Winkemann lässt bei ihren Aussagen tief blicken.
Birgit Malsack-Winkemann lässt bei ihren Aussagen tief blicken.

Birgit Malsack-Winkemann war Richterin. Eine Staatsdienerin also, wie es etwas altmodisch heißt. Doch dass man die Sicherheitsbehörden dieses Staates informieren könnte, wenn man vom bevorstehenden Einmarsch einer internationalen Geheimarmee in Deutschland hört – dieser Gedanke liegt der ehemaligen Bundestagsabgeordneten der AfD offenbar völlig fern.

Seit nunmehr 30 Verhandlungstagen steht die 60-Jährige zusammen mit acht weiteren Männern und Frauen vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main, weil sie als Mitglied der »Patriotischen Union« um Heinrich XIII. Prinz Reuß einen Putsch rechter »Reichsbürger« in Deutschland vorbereitet haben soll. Malsack-Winkemann bestreitet das. Geschlagene sechs Tage lang hat sie sich im Sommer vor Gericht zu den Anklagevorwürfen geäußert. Hat von einem »Ammenmärchen« der Bundesanwaltschaft gesprochen und beteuert, dass nie ein Angriff auf den Bundestag, nie ein gewaltsamer Umsturz geplant worden sei. Aber: Man habe damit gerechnet, dass die »Allianz« losschlagen und die Bundesregierung stürzen werde. Eben jene Geheimarmee.

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Das hat schon damals eine Menge Fragen aufgeworfen. Jetzt hat Jürgen Bonk, der Vorsitzende des Staatsschutzsenats, begonnen, diese Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wenn die Angeklagte eines Tages überzeugt gewesen wäre, dass es diese mysteriöse »Allianz« wirklich gibt, was hätte sie daraus für ihr eigenes Handeln abgeleitet? »Wenn es die Generäle tatsächlich gegeben hätte, glauben Sie, die hätten auf mich gehört?«, antwortet die AfD-Politikerin am Dienstag. Die Option, dass Handeln nicht nur ein Andienen bei der »Allianz«, sondern im Gegenteil auch ein Einschalten der Behörden bedeuten könnte, kommt ihr gar nicht erst in den Sinn. Dabei hat sie zuvor noch erklärt, dass sie ein mögliches Außerkraftsetzen der staatlichen Ordnung als Richterin selbstverständlich »alarmierend« gefunden habe.

Derart ins Straucheln gerät Malsack-Winkemann bei der Befragung immer wieder. Auf welcher Faktengrundlage, die ihr als Juristin ja betontermaßen wichtig sei, sie denn die Existenz jener »Allianz« für zumindest nicht ausgeschlossen gehalten habe? Und welche konkreten Hinweise sie dafür habe, dass pädophile Eliten in unterirdischen Tunnelsystemen Kinder misshandeln könnten?
Beides sind Erfindungen des antisemitischen QAnon-Verschwörungsglaubens, verbreitet über unzählige Telegram-Kanäle. Und mehr als diese Kanäle kann Malsack-Winkemann dann auch nicht als Grundlage anführen.

Malsack-Winkemann gehörte dem von Prinz Reuß geführten »Rat« an, das hat sie eingeräumt. Doch es habe sich dabei keineswegs um die designierte Putschregierung gehandelt. In ihrer Einlassung hatte die Angeklagte mal von einem »intellektuellen Kreis«, mal von einem »Kindergarten« gesprochen. Von den bewaffneten »Heimatschutzkompanien«, mit deren Aufbau die Vereinigung laut Anklage bereits begonnen hatte, will sie rein gar nichts gewusst haben. Diese zelebrierte Harmlosigkeit treibt sie in ihren Antworten auf die Fragen des Senatsvorsitzenden auf die Spitze. Da geht es um Käsefondue und eine Einladung zum Gänsebraten-Essen. Und sogar um naives Adligen-Anhimmeln: Wenn man ihr anbiete, einen Prinzen kennenzulernen, dann sage sie natürlich nicht Nein.

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