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Sparen nicht nur für Notzeiten
In Deutschland wird zu viel zurückgelegt – das bremst die Wirtschaft
Ulrich Reuter gibt sich berufsbedingt begeistert: »Seit hundert Jahren schafft der Weltspartag ein Bewusstsein dafür, wie wichtig finanzielle Vorsorge ist.« Auch heute noch sei das Thema Sparen hochaktuell, sagt der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Hochaktuell ist das Thema Sparen in diesen Tagen vor allem aber, weil es, volkswirtschaftlich betrachtet, zu viel des Guten ist.
Der vom Sparkassenpräsidenten geschätzte Tag geht auf das Jahr 1924 zurück, als die Cassa di Risparmio delle Provincie Lombarde Vertreter aus 30 Ländern zum »1. Internationalen Sparkassen-Kongress« nach Mailand lud. Den Gründern ging es nicht allein um schnöden Mammon – auch mit unserer Lebenszeit, der Kraft und allen Dingen dieser Erde sollte fortan sparsam umgegangen werden, heißt es in der Resolution, die noch vom Schrecken des Weltkrieges geprägt war. Heute wird der Weltspartag auch von privaten Banken und genossenschaftlichen Instituten gefeiert, die sich auch sonst über reges Interesse an ihren Finanzprodukten erfreuen.
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In Deutschland gibt es traditionell eine geradezu leidenschaftliche Sparlust vieler Bürger – jedenfalls derjenigen, die es sich leisten können. 2023 legten die privaten Haushalte in Deutschland 10,4 Prozent ihres Einkommens auf die hohe Kante, was einer Summe von weit mehr als 300 Milliarden Euro entspricht. Im ersten Halbjahr 2024 lag die Sparquote laut neuester Zahlen des Statistischen Bundesamts sogar bei 11,1 Prozent. Dabei gibt es eine massive Kluft: Laut dem »Vermögensbarometer 2024« der Sparkassen sagen 19 Prozent der Befragten, sie würden gar nicht sparen, und 30 Prozent tun dies nur unregelmäßig, wenn mal Geld übrig sei. Gerade einmal 29 Prozent der Bevölkerung legen regelmäßig Geld zur Seite – damit ist die Sparquote bei den sogenannten Gutverdienern noch deutlich höher als der Durchschnittswert.
Im Vergleich zu anderen Industriestaaten ist aber selbst die durchschnittliche Quote extrem hoch. So haben nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die privaten Haushalte in Japan mit 2,8 Prozent und die in den USA mit 4,7 Prozent deutlich geringere Anteile ihres verfügbaren Einkommens auf die Seite gelegt. Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des 100. Weltspartages mitteilte, wiesen nur wenige (kleinere) Staaten höhere Sparquoten als Deutschland auf: die Schweiz mit 19,4 Prozent und die Niederlande mit 12,7 Prozent.
Mit ihrem Ersparten sorgen Menschen üblicherweise für erwartete spätere Notzeiten vor. Dadurch kann das Geld dann nicht heute für den privaten Konsum genutzt werden, der die Konjunktur ankurbelt. Das fällt in der bundesdeutschen Wirtschaft besonders ins Gewicht, weil sich auch die Unternehmen angesichts der unsicheren geopolitischen Lage und der maroden Infrastruktur bei Investitionen seit längerem merklich zurückhalten und selbst sparen.
Und der Staat, gebremst durch Schuldenbremsen, springt nicht in diese Sparlücke, wie es nicht allein keynesianische und marxistische Volkswirtschaftslehrbücher empfehlen. Bund und Länder könnten etwa gezielt Steuern erhöhen oder sich stärker verschulden, um das gesamtgesellschaftlich Ersparte in die Zukunft zu investieren. Im Bundeshaushalt 2024 sind lediglich Kredite über rund 39 Milliarden Euro vorgesehen – ein Zehntel dessen, was Sparer allein in diesem Jahr auf die hohe Kante legen.
Das ist nicht der einzige, aber ein wichtiger Grund dafür, dass Deutschland bei internationalen Konjunkturprognosen seit einiger Zeit das Schlusslicht unter den G7-Staaten ist. Auch die Regierungskoalition in Berlin rechnet inzwischen nicht mehr damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr noch aus der Rezession herausfinden wird. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat seine pessimistische Prognose aus dem Frühjahr weiter nach unten revidiert, auf minus 0,2 Prozent. Das wäre der zweite Rückgang in Folge, nachdem das Bruttoinlandsprodukt schon 2023 geschrumpft war.
In Deutschland gibt es traditionell eine geradezu leidenschaftliche Sparlust vieler Bürger – jedenfalls derjenigen, die es sich leisten können.
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Die massiven Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank hatten, wie gewünscht, den Sparanreiz noch erhöht, um die Kaufnachfrage zu senken und damit die Inflation einzudämmen. Vor allem linke Ökonomen kritisierten dies mit dem Argument, dass die hohe Teuerung importiert und auf den Energiepreisschock infolge des Russland-Ukraine-Krieges zurückzuführen sei, was mit Mitteln der Geldpolitik gar nicht zu bekämpfen sei. Mittlerweile sind die Zinsen wieder rückläufig, doch nun sorgt die allgemein schlechte Stimmung für Kaufzurückzuhaltung bei denen mit den gut gefüllten Geldbeuteln.
Zuviel Sparen kann eben durchaus schädlich sein. Ein wichtiger Aspekt, der nicht allein vom Sparkassenverband am Weltspartag geflissentlich übergangen wird.
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