Vater des Hanauer Attentäters zu Geldstrafe verurteilt

Gutachterin bescheinigt dem Mann »Querulantentum«, aber volle Schuldfähigkeit

  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Mitglied des »Kollektiv ohne Namen« beseitigt NS-Schmierereien an einem Porträt auf dem Wandbild für die Opfer des Anschlags von Hanau.
Ein Mitglied des »Kollektiv ohne Namen« beseitigt NS-Schmierereien an einem Porträt auf dem Wandbild für die Opfer des Anschlags von Hanau.

Hanau. Der Vater des Hanauer Attentäters ist wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Nötigung und anderer Delikte zu einer Geldstrafe von 21 600 Euro verurteilt worden. Das Amtsgericht Hanau hielt den 77-Jährigen in dem Sammelverfahren in einer Vielzahl von Fällen für schuldig. Der Fall wird nun aller Voraussicht nach bei der nächsten Instanz landen, sowohl Verteidigung als auch die Nebenklage, die eine Angehörige eines Anschlagsopfers vertritt, kündigten an, Rechtsmittel einlegen zu wollen.

Der 77-Jährige fehlte bei der Urteilsverkündung. Wie an fast allen Prozesstagen blieb er auch am Donnerstag dem Verfahren fern. Lediglich einmal war er vor Gericht erschienen: Die Richterin hatten ihn am zweiten Prozesstag zur Verlesung der Anklage polizeilich vorführen lassen. Der Angeklagte verbrachte die Sitzung stundenlang auf dem Boden liegend. Der Prozess war ohne ihn fortgesetzt worden.

Mit dem Strafmaß blieb das Amtsgericht etwas unterhalb des Antrags der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert. Die Nebenklage, die eine Angehörige eines Opfers vertritt, die in der Nähe des Angeklagten wohnt, hatte eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren ohne Bewährung gefordert.

Mit dem Urteil geht ein Prozess zu Ende, der nach Worten von Clementine Englert große öffentliche Aufmerksamkeit hatte und »nicht alltäglich« war. Der Pflichtverteidiger hat nach eigenen Angaben den Kontakt zu dem Angeklagten verloren und wollte sein Mandat niederlegen, musste aber laut Gerichtsbeschluss seine Aufgabe weiter erfüllen.

Der 77-Jährige sei »zweifelsohne rassistisch«, erklärte die Richterin in der Urteilsbegründung. Er habe die Menschenwürde von Migranten »böswillig verächtlich gemacht«. Bestraft wurde der Mann auch, weil er sich einer Angehörigen eines Anschlagsopfers, die in seiner Nähe wohnt, trotz Verbots immer wieder genähert hatte. Er habe Menschen mit Migrationshintergrund und auch den Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) wiederholt beleidigt. Ein Annäherungsverbots gegenüber Hinterbliebenen und dem Bürgermeister Kaminsky missachtete der Angeklagte.

Eine psychiatrische Gutachterin hatte dem Mann keine Gewalttätigkeit, aber Züge von »Querulantentum« und volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Der 77-Jährige habe zwei wahnhafte Störungen, seine Einsicht- und Steuerungsfähigkeit sei aber bei sämtlichen Taten vorhanden gewesen, erklärte die Richterin. Eine Schizophrenie liege, anders als bei seinem Sohn, nicht vor.

Die Richterin entschied sich für eine »schmerzhafte Geldstrafe«, aber gegen eine Freiheitsstrafe. Den Mann »wegzusperren« wäre zwar bequem, aber nicht angebracht. Er sei nicht gewalttätig, sagte sie. Der 77-Jährige werde vermutlich mit seinen Taten nicht aufhören. Das sei aber »etwas, was die Gesellschaft ertragen muss«.

Der Sohn des Mannes, ein 43-jähriger Deutscher, hatte am 19. Februar 2020 neun Menschen in Hanau aus rassistischen Motiven erschossen und anschließend seine Mutter und sich selbst getötet.

Der 77-Jährige ist bereits zweifach vorbestraft und zu Geldstrafen in einer Gesamthöhe von 9.000 Euro verurteilt worden. Da er nicht zahlte, hatte die Staatsanwaltschaft das Geld durch Zwangsvollstreckung eingetrieben. dpa/nd

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