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Chancenlose mit viel Macht: Drittparteien in den USA
Kleine Parteien haben fast keinen politischen Einfluss, könnten aber den Wahlausgang beeinflussen. Allen voran Jill Stein
Wer auch immer im Januar ins Weiße Haus einziehen wird, muss sich um eins nicht sorgen: Koalitionsverhandlungen. Das US-Wahlsystem zementiert ein Zweiparteiensystem, das im Grunde nur Demokraten und Republikanern Chancen auf die Macht lässt, denn in beinahe jedem Bundesstaat und jedem Wahlbezirk des Kongresses gilt: Der Gewinner bekommt alles, egal wie klein der Vorsprung auch ist. Ein Verhältniswahlrecht, nach dem auch Drittparteien Parlamentssitze erhalten würden, gibt es nicht. Doch selbst chancenlose Kandidaten können für den Ausgang der Präsidentschaftswahl entscheidend sein. Allen voran Jill Stein von den Grünen.
Bereits 2012 und 2016 hatte sie kandidiert. Ihr erster Anlauf blieb unbeachtet, der zweite aber sorgt bis heute für Debatten. Denn die Anzahl ihrer Stimmen in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania war damals größer als der jeweilige Rückstand Hillary Clintons auf Donald Trump. Hätten diese linken Wähler für die Demokratin gestimmt, wäre Trump nie Präsident geworden. Eine Wiederholung befürchtet nun das Team von Kamala Harris, das Wahlwerbespots mit einer eindeutigen Botschaft senden ließ: »Eine Stimme für Jill Stein ist eine Stimme für Donald Trump.«
Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.
Diese These setzt voraus, dass die Grünen-Wähler statt Stein Harris wählen würden. Bleiben sie jedoch zu Hause, bliebe das Ergebnis gleich. Tatsächlich kommt, wer schon daran denkt, Stein zu wählen, nicht einfach zu den Demokraten zurück, denn die Grünen-Kandidatin vertritt Positionen weit links der Vizepräsidentin: Stein fordert ein Recht auf Arbeit und kostenlose Bildung bis zum Studium sowie eine allgemeine Krankenversicherung. Das macht sie für einige Linke zur Alternative ihres Gewissens.
Steins Lieblingsthema ist aber der Frieden. 2016 ging es ihr um den Bürgerkrieg in Syrien, acht Jahre später um Israels Angriffe in Gaza. Wo auch immer sie im Wahlkampf auftritt, trägt sie derzeit als Zeichen der Solidarität mit Palästina eine Kufiya um den Hals. Israels Premier Benjamin Netanyahu sei ein Kriegsverbrecher, sein Vorgehen in Gaza ein Genozid, den die Regierung von Joe Biden und Harris aktiv unterstütze. Diese Position hat ihr besonders unter Muslimen neue Anhänger beschert – Menschen, die vor vier Jahren noch mehrheitlich Biden gewählt hatten. Das Risiko, dass durch diesen Wechsel erneut Trump gewinnen könnte, der Netanyahu noch viel näher steht als Harris, ist für sie irrelevant.
Das Problem für Steins Friedens-Image ist, dass sie weder die Hamas klar für ihre Terrorattacken am 7. Oktober 2023 verurteilte noch Russlands Invasion in die Ukraine und den Beschuss von zivilen Zielen. Vielmehr sei die Nato wegen ihrer Provokationen gegenüber Russland Hauptverursacherin des Ukraine-Krieges. Auch dass Stein Trump verabscheue, wird ihr nicht abgenommen, nutzte sie doch die Hilfe republikanischer Wahlkampffirmen und sogar von Trumps persönlichem Anwalt Jay Sekulow, der diesen im ersten Amtsenthebungsverfahren vertreten hatte, um in möglichst vielen Bundesstaaten auf den Wahlzettel zu gelangen.
Mit Robert Kennedy Junior hatte Trump selbst ursprünglich einen Kandidaten, der ihm Stimmen unter Impfskeptikern und Verschwörungstheoretikern streitig machte. Doch Kennedy stoppte seinen Wahlkampf im August und unterstützt seitdem Trump. In einigen Bundesstaaten war es allerdings zu spät, um sich noch vom Wahlzettel streichen zu lassen. Einige Protestwähler könnten also noch für ihn abstimmen, auch wenn das wiederum Kamala Harris zur Präsidentin machen könnte.
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