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VW – schmale Rendite, bedrohte Heimat
Stephan Kaufmann über die deutsche Krisenerzählungen
Der Autobauer Volkswagen bangt um seine Kapitalrendite. Sein Management droht mit Werksschließungen in Deutschland und fordert Lohnverzicht. Die Belegschaft protestiert und signalisiert gleichzeitig ein Einlenken. Die Politik will Arbeitsplätze und Werke erhalten, hat aber ein Einsehen mit den Nöten von VW. Die Debatte ist typisch für die heutige Zeit. Der Konzern mit dem »Volk« im Namen steht symbolisch für die deutsche Industrie, für den gesamten Standort Deutschland und damit dafür, wie Krisen hier zu Lande derzeit bearbeitet werden.
Ausgangspunkt ist ein erfolgsverwöhnter deutscher Konzern. Als Weltmarktführer hat Volkswagen in den vergangenen Jahrzehnten mit überlegener Produktivität andere Autobauer niederkonkurriert oder aufgekauft. Doch nun haben sich die Konkurrenzbedingungen auf dem Weltmarkt geändert. Der Klimaschutz verlangt die Umstellung auf Elektroautos, und die Digitalisierung macht das Auto zum »rollenden Smartphone«. In beiden Punkten hinkt Volkswagen den Konkurrenten aus China und den USA hinterher. Das gefährdet seine etablierten Vorteile und damit seine Weltmarktführerschaft und damit seine Existenz. Denn mit weniger als einer globalen Führungsposition will man sich nicht zufriedengeben.
»VW wankt«, warnt die »Bild-Zeitung«. Kanzler Olaf Scholz sieht die »Zukunftsfähigkeit der deutschen Leitindustrie« gefährdet und laut Nachrichtendienst RND geht es »um nicht weniger als den Wohlstand künftiger Generationen«. Die Krisendiagnose lautet: Leben oder Untergang. Auch die Quelle der Bedrohung wird genannt. Sie liegt im Ausland. Hiesige Autobauer würden »in China aus dem Markt gedrängt«, so RND, und sie müssten damit rechnen, dass ausländische Konkurrenz sie in den »eigenen Heimatmärkten angreift« – als wären dies Märkte, auf die Volkswagen ein angestammtes Heimatrecht habe.
Das Problem des Überflusses
Nicht nur das Ausland wird kritisiert, auch das VW-Management. Es habe den Konzern nicht schlagkräftig genug aufgestellt, um gegen den Angriff von außen zu bestehen. Der Trend zum E-Auto sei »verschlafen« worden, heißt es. Ein Problem ist das nicht, weil weltweit E-Autos fehlen würden, im Gegenteil: Es gibt viel mehr, als Nachfrage besteht. Alle Autobauer bilanzieren Überkapazitäten, ihre Fabriken werden nicht ausgelastet – das globale ökonomische Problem besteht also nicht in einem Mangel, sondern in einem Überfluss an sachlichem Reichtum, an Anlagen, Fabriken und Gütern. Dieser Reichtum ist zu groß geworden, um sich noch anständig zu verwerten: Die Überkapazitäten haben die Kapitalrendite von VW auf zwei bis drei Prozent gedrückt.
Um der Autorendite aufzuhelfen, bricht die EU einen Handelskrieg mit China vom Zaun und erlässt Zölle, um den Import klimafreundlicher E-Autos zu bremsen. Die FDP fordert, dass der Klimaschutz zurückstehen muss, weil er die deutschen Industrieprofite gefährdet. Und das VW-Management macht die Beschäftigten für die Lösung der Krise haftbar, droht mit Entlassungen und fordert Lohnverzicht, was der VW-Betriebsrat als Kampfansage an »Heimatregionen im Herz des Konzerns« kritisiert.
Das Management von Volkswagen macht sich also daran, die teure Heimat per Lohnsenkung zu verbilligen, um sie vor dem Untergang zu bewahren. Wettbewerbsfähigkeit ist nationale Pflicht. Es sei die »gemeinsame Verantwortung« aller Beteiligten, so VW-Finanzvorstand Arno Antlitz, Europas größten Autohersteller in eine gute und sichere Zukunft zu führen. »Das sind wir den kommenden Generationen schuldig«. Die »gute und sichere Zukunft« lässt sich beziffern, sie bedeutet laut VW-Management eine Kapitalrendite von 6,5 Prozent bis 2026. Für dieses Ziel sollen die Beschäftigten verzichten, »damit wir alle wieder stolz sein können auf eine starke deutsche Auto-Industrie«, so CDU-Politiker Jens Spahn.
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