Winterflucht in den Wilden Westen der USA

Nirgendwo scheint die kalte Jahreszeit in Europa weiter weg zu sein als in Arizonas magischer Sonora-Wüste

  • Petra Kirsch
  • Lesedauer: 4 Min.
Langlebige Wüstenbewohner: Nach etwa 80 Jahren wächst den Saguaro-Kakteen ihr erster »Arm«.
Langlebige Wüstenbewohner: Nach etwa 80 Jahren wächst den Saguaro-Kakteen ihr erster »Arm«.

Die heiße Luft zieht zischend in den Stoff. Langsam richtet sich der Heißluftballon auf und die Gäste klettern in den Korb. Eine Sicherheitseinweisung durch Kapitän Tommy von Hot Air Expeditions, dann geht’s los. Langsam steigen wir in die Höhe und die aufgehende Sonne taucht die Sonara-Wüste in ein magisches Licht. Die nächsten 60 Minuten gleiten wir über die ockerfarbene Weite, bestaunen aus luftiger Höhe Fass- und Feigenkakteen und die riesigen, uralten Saguaros, auch Cowboy-Kakteen genannt, deren erster »Arm« nach etwa 80 Jahren wächst. Es geht über Häuser mit blau leuchtenden Pools und perfekt gepflegte Golfplätze hinweg und über Hasen, die blitzschnell in ihre Löcher wetzen. Dann die Landung: Kapitän Tommy ist hoch konzentriert, niemand will in einem Kakteenfeld aus dem Korb steigen. Doch unser Korb setzt sanft im Sand auf und wir genießen ein Frühstück in der Wüste.

Wer nach Scottsdale im Süden des US-Bundesstaates Arizona nahe der Grenze zu Mexiko reist, muss sich um das Urlaubswetter keine Sorgen machen. Hier regnet es in einem Jahr etwa so viel wie in Deutschland an einem Wochenende. Das ganze Jahr über scheint die Sonne – im Sommer allerdings gnadenlos heiß mit über 40 Grad Celsius. Doch im Herbst, Winter und Frühling herrschen mit 25 bis 28 Grad Celsius perfekte Bedingungen, um die schöne Landschaft beim Wandern, Fahrrad- oder Kanu fahren zu erkunden, oder durch die schicke 400 000-Einwohner-Stadt zu bummeln, die nur wenige Autominuten von Arizonas Hauptstadt Phoenix und dem dortigen Internationalen Flughafen entfernt liegt.

Vor gut 100 Jahren war Scottsdale noch ein kleines Wildwest-Kaff in einem Tal, durch das der Salt River fließt und in dem bis heute Baumwolle angebaut wird. Die ersten Siedler und die indigenen Ureinwohner waren noch mit dem Pferd unterwegs. Nachspüren kann man das historische Flair in Scottsdales Altstadt. Zwischen dem roten Schulhaus von 1909 und der Old Mission, der ersten katholischen Kirche, heute ein Restaurant mit feiner mexikanisch-inspirierter Küche, entdeckt man in schattenspendenden Laubengängen Mode-Boutiquen und Galerien mit Kunsthandwerk. Wer jetzt Lust auf eine eisgekühlte Margarita (Cocktail mit Tequila) hat, schreitet durch die Schwingtür des »Rusty Spur Saloons« – 1921 erbaut als Bankgebäude der Farmer – und lässt sich von der guten Stimmung und live gespielter Country-Musik mitreißen.

Ein Stück weiter schlängelt sich der Arizona-Kanal durch die Stadt. Rund um die künstliche Wasserstraße, deren Bau bereits im späten 19. Jahrhundert begann, gibt es heute jede Menge Restaurants, Shopping-Malls und Kunstwerke wie die rote Buchstaben-Skulptur »LOVE« von Robert Indiana. Genauso lohnenswert wie ein Spaziergang entlang des Kanals ist ein Besuch in einem der vielen Museen von Scottsdale: Im Musical Instrument Museum reist man durch die Melodien der Welt von den Südseeinseln bis zu US-Musikgrößen wie Elvis Presley. Und im Museum of the West ist man auf den Spuren der echten, hartgesottenen Cowboys unterwegs, die so gar nichts mit den klischeehaft stilisierten Westernhelden um John Wayne & Co. gemeinsam hatten.

Tipps
  • Anreise:
    Direktflüge nach Phoenix gibt es von Frankfurt am Main z.B. mit Lufthansa ab ca. 650 Euro, oder mit Umsteigen z.B. von United, Delta, KLM oder Air France ab ca. 500 Euro.
  • Allgemeine Informationen:
    experiencescottsdale.com
  • Sightseeing:
    Eine geführte Tour durch Frank Lloyd Wrights Hauskomplex Taliesin West kann man unter franklloydwright.org buchen. Kajaktouren auf dem Salt River organisiert z.B. Riverbound Sports (riverboundsports.com).
  • Unterkunft:
    Das JW Marriott Scottsdale Camelback Inn Resort & Spa ist eines der berühmtesten Hotels in Arizona mit Kakteen, blühenden Bougainvilleen und einem traumhaften Blick auf die namensgebenden Kamelrückenberge. Hollywood-Größen und amerikanische Politiker waren hier zu Gast, etwa Clark Gable, Bette Davis und John F. Kennedy. Die Gäste wohnen in gemütlich-modernen Casitas, die in hellen Naturfarben eingerichtet sind und alle eine Garten-Terrasse oder einen Balkon haben. Übernachtungen ab ca. 400 Euro pro Nacht.

Ein absolutes Besucherhighlight ist auch das Frank-Lloyd-Wright-Haus. Der Architektur-Pionier verliebte sich früh in Scottsdale. Als Lloyd Wright, der auch das Guggenheim Museum in New York entworfen hat, in den 1930ern begann, mitten in der Sonara-Wüste mit Blick auf die Camelback Mountains, sein Winterhaus und Studio zu bauen, gab es hier nur Sand, Steine, Kakteen und weder Strom noch Wasser. Rein mit Muskelkraft und intelligenter Planung entstand der faszinierend schöne Hauskomplex Taliesin West, der sich harmonisch in die Natur einfügt, sie widerspiegelt und auch ohne Klimaanlage selbst im Hochsommer angenehm kühl ist. Dabei bietet die 60-minütige Tour durch das Unesco-Weltkulturerbe noch mehr Einblicke in das Architekturmeisterwerk.

Wer lieber gänzlich unberührte Natur erleben möchte, dem sei eine geführte Kajaktour empfohlen. Während man gemütlich über das Wasser paddelt, segeln Weißkopfseeadler und Blaureiher durch die Luft und im Wasser stehen Dutzende von Wildpferden. Mehr Wilder Westen geht eigentlich nicht.

Die Autorin recherchierte mit Unterstützung des Tourismusbüros Experience Scottsdale.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!