- Politik
- Extreme Rechte
Rechtsterror in Sachsen: Mit Waffengewalt zum »Säxit«
Generalbundeswalt hebt rechtsterroristische Zelle aus / Sächsischer AfD-Politiker beteiligt
Am Montag dieser Woche jährte sich zum 13. Mal der Tag, an dem sich der »Nationalsozialistische Untergrund« (NSU) selbst enttarnte: eine rechtsextreme Terrorzelle, die von Ausländerhass getrieben war und in den Jahren von 2000 bis 2007 neun Geschäftsleute mit migrantischem Hintergrund sowie eine Polizistin ermordete. Ermöglicht wurde das auch durch massives Versagen von Polizei und Verfassungsschutz. Am Dienstag dieser Woche wurde von den Sicherheitsbehörden eine rechtsextreme Terrorzelle namens »Sächsische Separatisten« ausgehoben, die ebenfalls »ethnische Säuberungen« plante und sich gleichfalls auf den Nationalsozialismus bezog. Nach dessen Vorbild wollte sie in Gebieten von Sachsen und anderswo in Ostdeutschland mit Waffengewalt einen Staat errichten. Dem ist der Generalbundesanwalt (GBA) zuvorgekommen; acht der 15 bis 20 Mitglieder wurden festgenommen.
Die Gruppierung, die vom GBA als »inländische terroristische Vereinigung« eingestuft wird, war auch Kennern der Szene bislang nicht bekannt. Das spreche für »saubere und entschlossene« Arbeit der Behörden, erklärte die Amadeu-Antonio-Stiftung. Diese gingen gegen eine Zelle vor, die offenbar hochgefährlich und zu allem entschlossen war. Laut Pressemitteilung des GBA hätten ihre Mitglieder wiederholt paramilitärische Trainings mit Kampfausrüstung absolviert und den Häuserkampf, den Umgang mit Schusswaffen, Nacht- und Gewaltmärsche sowie Patrouillengänge geübt. Überdies hätten sie sich militärische Ausrüstungsgegenstände wie Tarnanzüge, Helme, Gasmasken und Schutzwesten besorgt.
Am Dienstagmorgen wurden acht der mutmaßlichen Mitglieder festgenommen. Dabei waren nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) 450 Beamte im Einsatz. Bei einem Verhafteten soll es sich um den Rädelsführer der Gruppe gehandelt haben. Bei vier anderen wurde angemerkt, sie seien in dieser schon als Jugendliche oder Heranwachsende aktiv gewesen. Selbst der älteste der Festgenommenen ist erst 25 Jahre alt. Die Verhaftungen erfolgten in und um Leipzig, in Dresden, in einem Ort im Landkreis Meißen sowie in einem Fall in Zgorzelec, der polnischen Nachbarstadt von Görlitz. Außerdem gab es Durchsuchungen von 20 Objekten. Diese richteten sich gegen weitere sieben Beschuldigte, erklärte der GBA. Betroffen seien auch Räumlichkeiten in Wien und im österreichischen Bezirk Krems-Land.
In den vom Bundesgerichtshof ausgestellten Haftbefehlen wird den Beschuldigten zur Last gelegt, spätestens im November 2020 eine militante Gruppierung gegründet zu haben, deren Ideologie »von rassistischen, antisemitischen und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen geprägt« sei. Ihre Mitglieder verbinde eine »tiefe Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung« der Bundesrepublik. Sie seien überzeugt gewesen, dass diese vor dem »Kollaps« stehe und an einem zeitlich noch unbestimmten »Tag X« der staatliche und gesellschaftliche Zusammenbruch eintreten werde. Diese Gelegenheit wollte die Gruppierung zum bewaffneten Putsch nutzen und eine Art NS-Staat errichten. Dabei sollten, wie der GBA erklärt, »unerwünschte Menschengruppen ... aus der Gegend entfernt werden«.
Politiker und Szenebeobachter äußerten sich entsetzt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von »ungeheuerlichen Plänen« und nannte es einen »großen Erfolg«, dass die Sicherheitsbehörden diese hätten aufdecken können. Faeser lobte ausdrücklich die »frühzeitige Aufklärung« des Bundesamts für Verfassungsschutz und die umfassenden Ermittlungen des Bundeskriminalamts. Dadurch habe man »frühzeitig militante Umsturzpläne von Rechtsterroristen vereitelt«.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung warnte, Neonazis bündelten ihre Kräfte, um »die Idee eines völkischen Nationalismus in einer Schwerpunktregion umzusetzen«. Die sächsische Linksabgeordnete Jule Nagel erklärte, es habe sich »wieder einmal« eine konspirative Zelle von Rechtsterroristen gebildet, die sich länderübergreifend im militärischen Stil auf die systematische Anwendung von Waffengewalt vorbereitet habe: »Härter könnte ein Verdacht kaum wiegen.« Sie mahnte eindringlich, mehr über die Vernetzung der Gruppe herauszufinden. Zudem gelte es zu klären, in welchen politischen Gruppierungen die Beschuldigten aktiv waren, wo sie radikalisiert und durch wen sie unterstützt wurden.
Erste Erkenntnisse dazu kursieren bereits. Zwei der Festgenommenen, darunter der Rädelsführer, sind nach Erkenntnissen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) die Söhne eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten, der in den 1990er Jahren eine Kameradschaft im Bezirk Krems-Land anführte und Mitglied einer paramilitärischen Gruppe war. Bei Kurt H., einem weiteren Verhafteten, soll es sich um einen AfD-Politiker aus dem sächsischen Grimma handeln, der bei der Kommunalwahl im Juni in den Stadtrat gewählt und von seiner Partei als erster Stellvertreter des Oberbürgermeisters nominiert wurde. Zudem soll er Schatzmeister des Landesverbandes der »Jungen Alternative« sein. Nagel erklärte, die Meldung entsetze, aber überrasche sie nicht. Die bereits als »gesichert rechtsextremistisch« eingestufte sächsische AfD und ihr Jugendverband »radikalisieren sich ungebremst«. Dass es jetzt Verbindungen zu einer rechtsterroristischen Zelle gebe, müsse in einem künftigen Verbotsverfahren eine Rolle spielen.
Auch mit dem schon im Namen »Sächsische Separatisten« postulierten Ziel einer Loslösung des Freistaats aus der Bundesrepublik agiert die Gruppierung nicht im luftleeren Raum. Die Amadeu-Antonio-Stiftung merkte an, dass derlei Pläne auch von der rechtsextremen Kleinpartei Freie Sachsen und diversen Reichsbürgergruppen »in der Szene popularisiert« und, obgleich mit anderen Mitteln, aktiv verfolgt würden.
»Neonazis bündelten ihre Kräfte, um die Idee eines völkischen Nationalismus in einer Schwerpunktregion umzusetzen.«
Amadeu-Antonio-Stiftung
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!