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Warenhauskette Galeria: Lohnerhöhungen an der Gewerkschaft vorbei
Das Einzelhandelsunternehmen Galeria will Verdi per Lohnerhöhung aus den Filialen drängen
Schon wieder ächzt es im Gebälk des Berliner Einzelhandels. Erneut steht die Warenhauskette Galeria im Mittelpunkt. Vor der Filiale in der Schloßstraße im Ortsteil Steglitz sind etwa 60 Beschäftigte zu einer Streikkundgebung zusammengekommen.
Sie sind einem Aufruf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt. Verdi ringt seit 2022, als das Management den Integrationstarifvertrag gekündigt hatte, um einen neuen Abschluss für tarifliche Lohnerhöhungen. Hatte Galeria noch im Sommer dieses Jahres eigene Angebote vorgelegt, die die Gewerkschaft als unzureichend abwies, liegen die Verhandlungen mittlerweile auf Eis. Das Unternehmen scheint nun anderes im Sinn zu haben.
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Galeria hatte den Mitarbeiter*innen mitgeteilt, das letzte Angebot »notfalls auch ohne Tarifeinigung« durchzusetzen. Mit einer Frist bis Freitag seien den Beschäftigten in der Folge neue Verträge vorgelegt worden. Eine Unterschrift würde den Einzelnen zwar innerhalb von drei Jahren eine Lohnerhöhung von 11,3 Prozent bis Oktober 2026 bringen – allerdings nicht tariflich abgesichert. Vielmehr, so Verdi, werde der Verzicht auf einen Tarifvertrag zur Bedingung für die Lohnerhöhung gemacht. Nur wenn 90 Prozent der Beschäftigten einer Filiale auf einen Tarifvertrag verzichteten, soll die Lohnerhöhung gezahlt werden. Und das ausschließlich an diejenigen, die die Vereinbarungen unterschrieben haben.
2019 hatten Verdi und damals noch Karstadt bei der Übernahme von Kaufhof einen Integrationstarifvertrag geschlossen, der eine suksessive Rückkehr des Unternehmens in den Flächentarif ab 2025 vorsah. Aufgrund klammer Kassen hatte das mittlerweile Galeria heißende Unternehmen den Vertrag 2022 gekündigt. Die Gehälter sind auf dem damaligen Niveau eingefroren. Alle seitdem geltenden Arbeitsverträge sind jedoch weiterhin durch die Nachwirkung des Integrationstarifvertrags geregelt, seither neugeschlossene Arbeitsverhältnisse jedoch nicht.
Auf der Kundgebung vor der Schloßstraßen-Filiale fällt häufig das Wort Nötigung. Eine Mitarbeiterin in gelber Streikweste erzählt »nd«, dass auch sie eine entsprechende Vereinbarung zur Unterzeichnung vorgelegt bekommen habe. Ob sie die Vereinbarung unterschrieben habe? »Dazu äußere ich mich nicht«, sagt sie. Allerdings hätten »eine ganze Menge« ihrer Kolleg*innen unterschrieben.
Gewerkschaftssekretär Ralph Thomas kann nachvollziehen, warum die Beschäftigten die Vereinbarung unterschreiben. Das Lohnniveau der Galeria-Beschäftigten fällt immer weiter hinter das des Flächentarifvertrags zurück, mitterweile bis zu 30 Prozent. Da erscheine die von Galeria perfide aufgezogene Kampagne Vielen als alternativlos. Die Mitarbeiter*innen hätten Angst, dass sie sonst gar keine Lohnerhöhungen bekommen, sagt Thomas.
»Angriffe gegen die Gewerkschaft, Tarifverträge und die eigenen Mitarbeiter dürfen keine Schule machen.«
Sven Meyer (SPD)
Für die Kampagne der Galeria-Führung zeigt Verdi kein Verständnis: »Statt auf die Angebote der Tarifkommission einzugehen, versucht das Management, die Tarifflucht mit der Brechstange durchzusetzen.« Ähnlich äußert sich auch Manuela Virglis, Mitglied des Betriebsrates von Galeria in Steglitz: »Betriebliche Bündnisse sind ein Arbeitgebermittel, um Gewerkschaften zu schwächen und sie aus den Filialen rauszukriegen.«
Immer wieder versuchen Arbeitgeber, Gewerkschaften auszuklammern, indem sie in sogenannten betrieblichen Bündnissen mit dem Betriebsrat Absprachen und Vereinbarungen treffen. »Wir wollen nicht zum Prellbock zwischen Arbeitgeber, Beschäftigten und Gewerkschaft werden«, erklärt Virglis. Der Betriebsrat habe in der Frage der individuellen Lohnerhöhungen nicht mitsprechen können, erklärt sie.
Conny Weißbach, Landesfachbereichsleiterin bei Verdi, sieht es als Fehler an, dass die staatliche Unterstützung in Höhe von 680 Millionen Euro zur vermeintlichen Rettung von Galeria nicht an Beschäftigungsbedingungen geknüpft war. In einem eigenen Beitrag verweist Verdi auf die Geschichte der gegenwärtigen Eigentümerstruktur von Galeria. Von »bekannten Gesichtern, die das Warenhaus nicht gerettet, sondern weiter runtergewirtschaftet und schließlich verkauft haben«, ist da die Rede.
Der SPD-Abgeordnete Sven Meyer gibt sich vor den versammelten Galeria-Beschäftigten selbstkritisch. »Bei der Unterstützung, die Galeria erhalten hat, ist das eigentlich schon ein volkseigener Betrieb.« Insofern stelle sich die Frage, was bleibe mit den neuen Eigentümern am Ende vom Betrieb übrig. Das müsse an Bedingungen geknüpft werden. »Angriffe gegen die Gewerkschaft, Tarifverträge und die eigenen Mitarbeiter dürfen keine Schule machen«, sagt Meyer.
»Es wurden Standorte gerettet, weil ihr euch zusammengeschlossen und gekämpft habt«, sagt Damiano Valgolio zu der Streikversammlung. »Weil ihr Filialen mit Verdi verteidigt habt, soll die nun raus«, so der Linke-Abgeordnete. »Die richtige Antwort ist deshalb: erneut Stärke zeigen.«
Einige von denen, die nach Steglitz gekommen sind, sind unzufrieden, dass ihre Kolleg*innen vom Alexanderplatz nicht auf der Kundgebung sind. »Wenn nicht die, wer dann? Die haben doch nichts mehr zu verlieren«, sagt eine Mitarbeiterin.
Der Eigentümer des traditionsreichen Warenhausstandorts am Alexanderplatz will das Gebäude ab 2026 umfassend sanieren. Die Tochtergesellschaft der Commerzbank, die das Haus aus der Insolvenzmasse erworben hat, sieht bisher keine Zwischennutzung für die auf zwei Jahre geplanten Arbeiten vor. Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) will sich dafür einsetzen, den Betrieb aufrecht zu halten. Es scheint unwahrscheinlich, dass das Warenhaus nach einer zweijährigen Pause zum heutigen Geschäftsniveau zurückfinden kann.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass die Beschäftigten sich nach Angriffen erstmal wegduckten und nicht öffentlich Gesicht zeigten, sagt Verdi-Sekretär Ralph Thomas. Er will dennoch auf die Beschäftigten zugehen und den Alexanderplatz ins Zentrum der künftigen Auseinandersetzungen um Galeria stellen.
Galeria selbst ließ eine Anfrage von »nd« bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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