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Klimapolitik unter Druck von rechts
Der European Green Deal könnte schon bald beerdigt werden
Vor knapp fünf Jahren präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den »European Green Deal«: ein Konjunkturpaket, mit dem die Europäische Union bis 2050 klimaneutral und »das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt« werden soll. Dieser »Grüne Deal« stellte einerseits eine Reaktion auf die Proteste der Klimabewegungen der 2010er Jahre dar, war andererseits von den relevanten wirtschaftlichen und politischen Kräften vor allem aber auch als Strategie gedacht, um den europäischen Kapitalismus an eine sich verändernde geopolitische und -ökonomische Konstellation anzupassen. Denn schon damals war klar, dass der Aufstieg Chinas die Konkurrenz vor allem im Bereich der Hochtechnologie, aber auch bei erneuerbaren Energien und der E-Mobilität anfachen würde. Entsprechend nahm die EU, noch verstärkt durch die Pandemie, Hunderte Milliarden Euro in die Hand, um die eigene Wirtschaft industrie- und wettbewerbspolitisch zu stärken.
Nur fünf Jahre später jedoch ist die klimapolitische Situation in Europa eine völlig andere. Ein gutes Beispiel dafür ist Österreich, wo die rechtsextreme Freiheitliche Partei Ende September mit knapp 29 Prozent die Nationalratswahl gewann. In ihrem Wahlprogramm »Festung Österreich« stellt die FPÖ fest, dass »Klimahysterie« und entsprechende Politiken den Wohlstand massiv gefährden. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren dürften steuerlich nicht benachteiligt werden, heißt es im Programm, eine CO2-Steuer wird ebenso abgelehnt wie der European Green Deal.
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Auch die konservative ÖVP, die trotz einer krachenden Wahlniederlage den nächsten Kanzler stellen dürfte, äußert sich skeptisch in Bezug auf die europäische Klimapolitik. Unter dem Schlagwort »Technologieoffenheit« wirbt sie für den Erhalt des Verbrennungsmotors. Dementsprechend hat die ÖVP-geführte Regierung in der EU unlängst dafür gestimmt, das bereits beschlossene Aus für Neuzulassungen von Verbrennern ab 2035 wieder zu kippen. Die Konservativen wollen massiv in den Ausbau von Straßen investieren. Ein Tempolimit wird abgelehnt, obwohl das österreichische Umweltbundesamt gezeigt hat, dass bei einer Reduktion von Tempo 130 auf Tempo 100 etwa ein Viertel der CO2-Emissionen eingespart werden könnten.
»Eigenverantwortung statt Verbote«, so lautet die gängige Formel, die vor allem die Reichen schützen soll. Trotz der immer dramatischeren Folgen der Klimakrise – kurz vor der Wahl in Österreich kam es zu massiven Überschwemmungen im Osten des Landes – ist die Klimapolitik auf der Tagesordnung weit nach hinten gerückt. Die autoritäre Rechte ist in der Lage, die Migration zum alles bestimmenden Thema zu machen und entsprechende Ängste zu schüren. Dieser Trend wird sich nach dem Wahlsieg von Donald Trump noch weiter verstärken. Gleichzeitig sorgen sich die politischen und wirtschaftlichen Eliten wegen niedrigerer Wachstumsraten – sprich: geringerer Möglichkeiten der Vermögensakkumulation – und wachsender geopolitischer Konkurrenz.
Der Umbau sorgt für Verunsicherung und Unmut. Die autoritäre Rechte macht sich diese Stimmung zunutze.
Der aggressive klimapolitische Rückschritt hat sicherlich mehrere Ursachen. Doch zwei Aspekte sind besonders wichtig: Projekte wie der »Green Deal«, die den Kapitalismus ökologisch modernisieren sollen, verschärfen die soziale Ungleichheit, weil sie die Transformationskosten auf Beschäftigte und von Armut betroffene Menschen abwälzen. In diesem Sinne sorgt der anstehende Umbau für Verunsicherung und Unmut. Ohnehin von rechts unter Druck stehende Modernisierungsvorhaben wie das Auslaufen des Verbrenner-Autos oder der Heizungstausch werden von vielen Menschen als eine Art ökologischer Sparpolitik empfunden. Die Wohlhabenden können sich einen oder sogar zwei Tesla leisten, die ganz Reichen müssen nicht auf Privatflüge und Yachten verzichten. An diese Unzufriedenheit knüpft die autoritäre Rechte an, indem sie den unsozialen ökologischen Umbau kritisiert, die Klimakrise selbst leugnet oder zumindest seine negativen Folgen herunterspielt.
Ein zweiter Aspekt kann als Verteidigung der »Petro-Maskulinität« bezeichnet werden. Der Begriff stammt von der Politikwissenschaftlerin Cara Daggett und soll veranschaulichen, dass Männlichkeit im 20. Jahrhundert wesentlich mit dem fossilen Kapitalismus verbunden war: Emblematisch in diesem Zusammenhang sind große Autos. Das Versprechen der autoritären Rechte besteht darin, die guten alten Zeiten und die damit einhergehenden Geschlechterverhältnisse zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
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Von den Konservativen wie der ÖVP in Österreich oder den Unionsparteien in Deutschland gibt es zu diesem anti-ökologischen Programm keine klare Abgrenzung. Dahinter steckt auch die Sorge der Kapitalseite, dass ihr in zentralen Bereichen wie etwa der Autoindustrie die Felle davonschwimmen könnten. Nachdem mit SUVs und Verbrennermotoren jahrelang fette Gewinne eingefahren wurden, kommt nun der Ruf nach dem Staat. Und die Regierungen spuren: berufen »Auto-Gipfel« ein und stellen massive finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Branche zu retten. Dass es hier weniger um Arbeitsplätze als um sinkende Profite geht, wird in der Regel unterschlagen.
Wie so oft: Die Gewinne waren privat, die Verluste werden sozialisiert. Wenn Regierungen und EU-Kommission es mit dem ökologischen Umbau ernst meinten, müssten die finanziellen Hilfen für die angeschlagenen Unternehmen damit verbunden werden, dass auch über künftige Investitionsentscheidungen mitbestimmt werden kann. Doch das unterbleibt. Vieles deutet darauf hin, dass der Europäische Green Deal schon bald beerdigt werden könnte. Schuld daran sind nicht nur die falschen Versprechen der autoritären Rechten, sondern auch die Fehler der Mitte-Parteien, die den Betroffenen der Transformation keine Alternativen anbieten.
Ulrich Brand ist Professor für Internationale Politik in Wien. Zuletzt veröffentlichte er mit Markus Wissen »Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven« (Oekom-Verlag).
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