Maccabi Tel Aviv gegen Ajax Amsterdam: Medien berichtigen sich

Israelische Behörden warnen Maccabi-Fans vor Spiel in Italien

Zurück aus Amsterdam rufen viele Fans von Maccabi Tel Aviv »Warum ist in Gaza keine Schule? Es gibt dort keine Kinder mehr!«.
Zurück aus Amsterdam rufen viele Fans von Maccabi Tel Aviv »Warum ist in Gaza keine Schule? Es gibt dort keine Kinder mehr!«.

Nach den Auseinandersetzungen zwischen mehrheitlich migrantischen Einwohnern Amsterdams und israelischen Fußballfans am Donnerstag haben mehrere internationale Medien ihre Berichterstattung korrigiert. Wie sich jetzt herausgestellt hat, haben Zeitungen und Sender ihre Berichte über gewalttätige Angriffe auf die Fans von Maccabi Tel Aviv mit Bildern illustriert, die diese als Opfer zeigen, obwohl sie die Angreifer waren. Maccabi-Ultras waren zuletzt in Athen mit ähnlichen Gewalttaten gegenüber arabischen Menschen bekannt geworden.

Die Fotografin Annet de Graaf, deren Bilder verwendet wurden, wies bereits am Freitag auf dem Kurznachrichtendienst X auf die falsche Berichterstattung hin und forderte eine Richtigstellung. Mehrere Medien, darunter Sky News und die deutsche ARD, kamen dieser Aufforderung nach. Ein Videobeitrag der Tagesschau enthält nun den Hinweis: »Diese Bilder zeigen nicht Angriffe auf israelische Fußball-Fans.« Andere Medien, wie »Bild«, haben die irreführenden Illustrationen mit Maccabi-Fans als Opfer jedoch weiterhin online.

Die Aufnahme zeigt israelische Randalierer, und nicht wie vom stellvertretenden »Bild«-Chefredakteur Filip Piatov behauptet einen »arabischen Mob«.
Die Aufnahme zeigt israelische Randalierer, und nicht wie vom stellvertretenden »Bild«-Chefredakteur Filip Piatov behauptet einen »arabischen Mob«.

Laut Aufnahmen eines Amsterdamer Videobloggers suchten Maccabi-Ultras nach dem Spiel gegen Ajax Amsterdam direkt vor dem Stadion Randale und versuchten offenbar, propalästinensische Demonstrant*innen anzugreifen. Deren Kundgebung war von den Behörden aber aus Sorge vor Gewalt gut einen Kilometer weiter verlegt worden.

Berichten zufolge beteiligten sich Teilnehmer*innen dieser Kundgebung später an der Jagd auf Maccabi-Fans, was zu brutalen Szenen führte. Dabei wurden auch Menschen, die keine Abzeichen von Maccabi trugen und offenbar keine Ultras waren, verprügelt, getreten und in mindestens einem Fall in einen Kanal geworfen. Videos im Internet zeigen zudem ein Auto, das auf einem Gehweg durch eine Menschenmenge fährt.

Schon am Freitag war bekannt geworden, dass Fans des israelischen Klubs seit Tagen in Amsterdam provozierten. Am Mittwoch und am Donnerstag, dem Tag des Spiels, wurden palästinensische Flaggen von Fenstern gerissen oder verbrannt und beleidigende Parolen gerufen. In Gesängen, die mehrfach in sozialen Medien dokumentiert wurden, verhöhnten die Ultras den Tod von Kindern im Gazastreifen mit dem Ausruf »Warum ist in Gaza keine Schule? Es gibt dort keine Kinder mehr!«. Zudem zerstörten Maccabi-Fans mindestens ein Taxi, wie der Amsterdamer Polizeichef sagte.

Die Angriffe auf Israelis lösten international Entsetzen und Empörung aus und wurden vielfach als antisemitisch bezeichnet. Wissenschaftler wie der britische Soziologe Brendan McGeever machen hingegen einen Unterschied: Die Betroffenen seien als Israelis und nicht wegen ihres Glaubens verfolgt worden. Die jüdische Zeitung »Forward« zitiert einen Amsterdamer Rabbinatsstudenten, wonach zwar »echte Beweise« vorlägen, dass nach dem Spiel Menschen auf »Judenjagd« gegangen seien. Jedoch habe sich die Gewalt gegen die israelischen Besucher gerichtet. Amsterdamer Jüd*innen und jüdische Institutionen in der Stadt seien nicht angegriffen worden.

Die niederländische Regierung kündigte eine Untersuchung an, ob Warnungen vor den Angriffen ignoriert wurden.

Der frühere israelische Ministerpräsident Naftali Bennett sprach auf X von einem »geplanten und organisierten Pogrom«, eine Formulierung, die auch Israels Präsident Izchak Herzog und der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders verwendeten. In »Forward« erklärten demgegenüber Jüd*innen aus Amsterdam, sie fühlten sich mit derartigen Äußerungen instrumentalisiert, um eine anti-migrantische Agenda zu fördern.

Bei den Ausschreitungen am Donnerstag wurden laut Behördenangaben 20 bis 30 Menschen verletzt, von denen fünf ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Gerüchte über angebliche Entführungen israelischer Fans, die von israelischen Behörden verbreitet wurden, erwiesen sich als falsch.

Insgesamt wurden am Donnerstag im Zusammenhang mit dem Spiel 62 Personen festgenommen. Am Samstag befanden sich noch vier Personen in Haft, darunter zwei Minderjährige. Ihnen wird unter anderem die Störung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen. Bislang wurde jedoch niemand wegen des Vorwurfs von Gewalt gegen Israelis festgenommen. Die Staatsanwaltschaft rechnet aber in den kommenden Tagen mit weiteren Festnahmen, auch von Verdächtigen, die Maccabi-Fans angegriffen haben sollen. Ermittler arbeiten daran, diese anhand von Video- und Fotoaufnahmen zu identifizieren.

Die niederländische Regierung kündigte eine Untersuchung an, ob Warnungen vor den Angriffen ignoriert wurden. Justizminister David van Weel erklärte, man werde prüfen, ob Warnsignale aus Israel übersehen wurden. Ministerpräsident Dick Schoof möchte die Lage zunächst mit dem nationalen Sicherheitskoordinator und den Geheimdiensten besprechen, bevor er sich dazu äußert. Bereits am Dienstag hatte die »Jerusalem Post« berichtet, dass die Mannschaft von Maccabi Tel Aviv auf ihrer Reise nach Amsterdam von Mossad-Agenten begleitet würde. Dies sei vor dem Hintergrund verstärkter Sicherheitsbedenken bei europäischen Spielen israelischer Teams erfolgt.

Am Samstag traten die Maccabi-Fans vom Flughafen Schiphol aus die Heimreise an. Vier Sonderflüge israelischer Fluggesellschaften brachten Hunderte zurück, für Sonntag waren weitere Flüge geplant. Bei ihrer Ankunft am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv fielen viele Fans erneut durch Gesänge auf, in denen sie die im Gaza-Krieg getöteten Kinder verhöhnten.

In sozialen Medien veröffentlichten israelische Soldaten ein Video mit Sprengungen in Gaza, die angeblich Racheaktionen für die Vorfälle in Amsterdam darstellen. Der ehemalige Militärsprecher Arye Sharuz Shalicar schrieb auf X, der »Mob in Amsterdam« habe Glück gehabt, dass er auf Maccabi-Fans und nicht auf Ultras anderer israelischer Vereine gestoßen sei: »Sie hätten ihre miesen antisemitischen Fratzen poliert bekommen.«

Polizisten hatten die grölenden Anhänger von Maccabi Tel Aviv zur U-Bahn-Station begleitet, die sie zum Ajax-Stadion führt.
Polizisten hatten die grölenden Anhänger von Maccabi Tel Aviv zur U-Bahn-Station begleitet, die sie zum Ajax-Stadion führt.

Der niederländische Ministerpräsident Dick Schoof sagte seine Teilnahme an der UN-Klimakonferenz in Baku ab und erklärte, wegen der »großen sozialen Auswirkungen der Ereignisse« in Amsterdam im Land bleiben zu wollen. Er war zuvor kritisiert worden, da er am Freitag nicht sofort vom EU-Gipfel in Budapest zurückgekehrt war. Schoof kündigte zudem an, am Dienstag mit jüdischen und sozialen Organisationen über den Kampf gegen Antisemitismus zu sprechen.

Der israelische Nationale Sicherheitsrat warnte unterdessen Maccabi-Basketballfans vor dem Besuch eines EuroLeague-Auswärtsspiels in Italien. Ihnen wird empfohlen, nicht zur Partie am Freitagabend bei Virtus Bologna zu gehen und israelische oder jüdische Symbole so weit wie möglich zu vermeiden. Mit Agenturen

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