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Alternative zur COP29 in Baku: Alles neu, aber vage
Auch auf der »goodCOP« in Berlin wollen Aktivisten mit einer Gegen-Klimakonferenz ein Zeichen setzen
Für den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Marco Bülow ist klar: Wissen und Fakten reichen nicht aus, um notwendige Veränderungen herbeizuführen. In den vergangenen 30, 40 Jahren, hätten wir Studien, Fakten, Ergebnisse angehäuft, »die aber alle nicht dazu geführt haben, dass gehandelt wird«, sagt er am Sonntag im Haus der Demokratie und Menschenrechte. Gemeint ist die voranschreitende Klimakatastrophe, der die globale Staatengemeinschaft trotz Jahrzehnten voller Klimakonferenzen nichts Nennenswertes entgegensetzen konnte.
Der CO2-Ausstoß ist auch in diesem Jahr wieder einmal so hoch wie nie, die 1,5-Grad-Hürde wird seit über einem Jahr monatlich gerissen, und zur diesjährigen UN-Klimakonferenz (Conferences of the Parties, COP) reisen die Regierungschefs der Staaten, die zu denjenigen mit dem höchsten Treibhausgasausstoß gehören, nicht einmal an. Die am Sonntag zuvor erstmals stattfindende »goodCOP« in Berlin, an der etwa 100 Menschen teilnahmen, versteht sich daher ausdrücklich als Gegenveranstaltung zu Baku.
Bülow ist Mitinitiator und natürlich kein Feind von Wissen und Fakten. Aber: Diese allein führten nicht zu politisch wirksamem Handeln. Man müsse an die Emotionen der Menschen ran, um den fossilen Lobbys, die sich auf der COP mittlerweile tummeln, etwas entgegenzusetzen. Außerhalb dieser Strukturen. »Mehrheiten finden sich nicht, am Ende wird gemacht, was die Lobbys wollen«, sagt der ehemalige Politiker. So sei das seit fast 30 Jahren auf den COPs, die zu einer »Hoffnungsindustrie« verkommen seien.
Es geht ums Storytelling
Die Logik auf der »goodCOP« geht so: In Baku, wie auf den meisten COPs zuvor, werde immer auf nächstes Jahr verwiesen, wo es dann die große Chance auf den Durchbruch gebe, sich endlich in den wichtigen Fragen einig zu werden. In Wirklichkeit aber sei die COP zu einem Marktplatz für fossile Deals verkommen.
Tatsächlich waren auf der COP vergangenes Jahr 2456 Lobbyisten fossiler Brennstoffe vertreten. Auf der »goodCop« heißt es daher: nicht mehr dort mitmachen, denn das stützt die bestehenden Strukturen. Stattdessen: neue, eigene Narrative finden, neue Geschichten erzählen, die sich am Menschen orientieren.
»Wir brauchen die Alternative«, sagt Collet Döppner, die aus Fulda als Besucherin angereist ist. »Wenn man hört, dass Politiker zur COP gehen und nicht fürs Klima kämpfen, sondern nur für eigene Interessen oder für die, die Geld haben, dann macht das was mit einem. Man denkt: Was ist Gerechtigkeit?«
Der Begriff Gerechtigkeit wird noch öfter fallen an diesem Nachmittag. Denn die »goodCOP« möchte mehr sein als nur eine Veranstaltung zur Äußerung von Kritik. Sie will Handlungsräume eröffnen. Klimaschutz wird hier als Menschenschutz verstanden. Daher müsse es auch um ganzheitliche Strategien gehen, die sich nicht in kleinteilige Fragen etwa danach verlieren, ob Fleisch teurer werden muss, weil diese Industrie mit am klimaschädlichsten ist. Das sei sozial ungerecht und folge einer kapitalistischen Marktlogik im Interesse fossiler Lobbys. So könnte man die Stoßrichtung mehrerer Vorträge zusammenfassen.
Und immer wieder: neue Erzählungen finden, Storytelling. So auch im Vortrag der Ernährungswissenschaftlerin Saskia Meyer: Ihr geht es darum, die richtigen Forderungen zu formulieren. Klimabewegungen hätten das versäumt, da sie Unterprivilegierte mit Forderungen wie »Macht das Fleisch teurer« nicht erreichten. Hätte man ihr in der Schule erklärt, dass ein Burger fünfmal mehr landwirtschaftliche Fläche beansprucht als etwa ein Linsenburger, der dazu nährstoffreicher ist, hätte sie als armutsbetroffene Jugendliche vielleicht statt »Ein-Euro-Bockwurst für alle!« eher »Linsen für alle!« gefordert.
Über die richtigen Forderungen und darüber, wie man Menschen emotional mitnimmt, sprechen auch andere. Etwa Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlerin Halliki Kreinin, die sich zur notwendigen Abkehr vom liberalen Fortschrittsgedanken äußerte. Liberaler Umweltschutz sei naiv und nur auf kurzfristige Lösungen angelegt: »Wenn wir nur darum kämpfen, ein paar Windräder mehr zu haben, bedeutet das, dass wir den großen Kampf verlieren.« Der große Kampf ist, wie wir überhaupt Wirtschaft betreiben und als Menschen zusammenleben. Kreinin muss jedoch, wie andere Redner*innen auch, am Ende zugeben, dass sie nicht sagen kann, wie dieser Kampf genau aussehen soll.
Die Lobbyisten juckt das nicht
Auch die Forderungen des Publizisten Harald Welzer bleiben nach Kritik an einer entpolitisierten Klimabewegung vage. Der großen Macht der Lobbys und »Fantastilliardäre«, wie Welzer sagt, setzt er lediglich die Bildung neuer Netzwerke entgegen: »Ich bin da auch ratlos, wie man das jetzt machen soll, aber ich glaube, das, was man machen sollte, ist, dass wir versuchen, eine überfraktionelle Form von Bündnis zu entwickeln.« Andere Vortragende nennen das »Thinktanks« oder »Netzwerke« und meinen wohl Ähnliches. So wird es wenig konkret am Sonntag.
Den Aktivisten Raphael Thelen versetzt das in Rage. Er greift die »goodCOP«-Idee grundsätzlich an: »Wir gehen immer noch davon aus, dass wir eine Demokratie haben, die für uns Bürger Lösungen anbietet.« Auch beim »goodCOP« würde so getan. »Glaubt ihr, die 2400 Lobbyisten in Aserbaidschan, die juckt es, dass wir hier sitzen und uns unsere Projekte gegenseitig vorstellen?«
Es sei an der Zeit, Dinge grundsätzlich anders zu machen. Anstatt innerhalb eines kaputten Systems bei Vorträgen auf Graphen und Statistiken zu zeigen, müssten endlich Zehntausende Menschen auf die Straße gehen. Die Worte lösten im Publikum die wohl erwünschten Emotionen aus. Eine Besucherin sagte gegen Ende der Veranstaltung: »Ich finde es unbefriedigend zu sagen, es gibt nur die rechtsstaatliche Ebene und die individuelle. Was mir fehlt, ist das Kollektiv. Ein nicht kapitalistisch definiertes Konzept, das wir wenig leben.« Ein Anfang.
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