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Fürth: Sozialkürzung durch SPD und AfD
Linke und Grüne im Stadtrat sehen Einsturz der »Brandmauer«. Ein Gespräch mit Niklas Haupt
Die SPD hat in Fürth die Reduzierung des städtischen Zuschusses für das lokale Sozialticket gefordert, die AfD stimmte als einzige andere Partei dafür. Was ist da genau passiert?
Seit Mitte 2023 gibt es in Fürth ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr, das Menschen mit wenig Geld ermöglicht, das Deutschlandticket für 24,50 statt 49 Euro zu erwerben. Nach unserem jahrelangen Einsatz war dies ein großer Erfolg, der inzwischen fast 3000 Fürtherinnen und Fürthern Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Nun hatte die FDP beantragt, den Zuschuss für das Sozialticket auf zehn Euro zu reduzieren. In der letzten Stadtratssitzung stimmten SPD und AfD dann gemeinsam für eine Kürzung des Zuschusses auf 18 Euro, alle anderen Parteien dagegen. Wir und die Grünen wollten an der hälftigen Finanzierung von 2023 festhalten. FDP, Freie Wähler und CSU verlangen eine noch stärkere Kürzung. Letztlich verschaffte die AfD der SPD eine Mehrheit, obwohl sie eigentlich für eine gänzliche Abschaffung des städtischen Zuschusses ist, aber lieber eine Kürzung als keine wollte.
Wie sind die Reaktionen in den anderen Parteien ausgefallen?
Wir haben die SPD während der Stadtratssitzung darauf hingewiesen und kritisiert, dass ihre Mehrheit nur durch die AfD zustande kam. Doch nach kurzer Debatte ging man zur Tagesordnung über. Im Nachgang veröffentlichte der DGB, dessen Fürther Chef Kamran Salimi auch Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat ist, ein Statement, das weit über Fürth hinaus Beachtung fand und in dem er den Vorgang als Fall der Brandmauer zur AfD anprangerte. Uns als Linke geht es nicht nur um die Brandmauer, die für die SPD hier offenbar nicht existiert: Die Zuschusskürzung ist Teil einer zunehmend armenfeindlichen Politik. Bei gleichzeitig steigenden Ticketkosten ab Januar bedeutet sie, dass das Sozialticket demnächst 40 Euro kostet. Das ist ein Preisanstieg um über 60 Prozent. Dass die SPD das vorschlägt, ist erschreckend genug. Dass sie dafür auf eine Mehrheit mit der AfD setzt, bringt das Fass zum Überlaufen.
Niklas Haupt ist Politikwissenschaftler und Kulturgeograf. Seit 2020 vertritt er Die Linke im Stadtrat Fürth.
Die Linke kritisiert die Prioritätensetzung der Stadt: Während an der Förderung von Unternehmen nicht gerüttelt wird, wird ein sozialer Zuschuss gekürzt.
SPD-Oberbürgermeister Thomas Jung hat seine Partei kürzlich öffentlich kritisiert: Sie fokussiere sich zu sehr auf soziale Themen, während Wirtschaftskompetenz Wahlen gewinne. Dieses Politikverständnis setzt er in Fürth konsequent um, und die SPD-Fraktion folgt ihm. Wenn hier die Wirtschaft etwas will, wird das zum Teil über Nacht in die Wege geleitet, dagegen ist im Sozialbereich eine große Leerstelle. Die Mieten in Fürth steigen rapide, und dennoch wehren sich die SPD und der OB selbst gegen für die Stadt kostenneutrale Auflagen wie eine Sozialwohnungsquote für Investoren. Menschen warten hier zum Teil ein Jahr, bis ihr Wohngeldantrag bewilligt wird und sie damit verbundene weitere Sozialleistungen erhalten können. Mit Corona und dem Ukraine-Krieg hat sich die Lage verschärft, doch mit Verweis auf den Haushalt wird nichts gemacht.
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Das vergangene Haushaltsjahr wurde in Fürth mit einem Bilanzüberschuss von 5,5 Millionen Euro abgeschlossen. Woher kommt eigentlich die »angespannte Haushaltslage« der Stadt?
Die angespannte Haushaltslage lässt sich nicht leugnen. Dieses Jahr wurde der Haushalt nur unter Auflagen von der Regierung Mittelfranken genehmigt. Doch diese Situation ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen. SPD und CSU regieren in Bund und Land, doch statt die Kommunen vernünftig zu finanzieren, steckt man lieber immer mehr Geld in die Militarisierung und hält auch auf Landes- und kommunaler Ebene an der Schuldenbremse fest.
In Bayern finden in knapp eineinhalb Jahren Kommunalwahlen statt. Könnte die Zusammenarbeit mit der AfD negative Auswirkungen für SPD haben?
Ich würde nicht so weit gehen, das als »Zusammenarbeit« zu bezeichnen. Trotzdem darf sich so ein Vorgang nicht wiederholen. Natürlich hoffe ich, dass unsoziale Politik bei den Wahlen Konsequenzen hat. Entscheidend ist jedoch, dass wir als Linke wieder sichtbarer werden, gemeinsam mit den Menschen für eine sozial gerechtere Politik kämpfen und dabei Klassenwidersprüche und die Verteilungsfrage ins Zentrum stellen.
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