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Weltklimakonferenz in Aserbaidschan und die Frage des Geldes
Bei der Klimakonferenz in Baku geht es um Mittel für arme Länder, dürftige nationale Pläne – und um die Tagesordnung
Noch nie hat ein UN-Klimagipfel in einem so ungünstigen geopolitischen Umfeld begonnen wie dieses Jahr. Als am Montag in Aserbaidschans Hauptstadt Baku Vertreter aus etwa 200 Staaten zur 29. Klimakonferenz (COP 29) zusammenkamen, war klar, dass die USA wieder aus dem Paris-Abkommen austreten werden. Gleichzeitig ist die neue EU-Kommission noch nicht im Amt und im größten EU-Mitgliedsland die Regierungskoalition kollabiert. Und dann sind da natürlich noch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Allein das reicht, um von einem »Test für den Multilateralismus« zu sprechen, wie es Beobachter ausdrücken. Simon Stiell, Chef des UN-Klimasekretariats, warnte zur Eröffnung: »Wir können Baku nicht ohne ein vernünftiges Ergebnis verlassen.«
Bei COP 29 geht es bis Ende kommender Woche vorrangig um Geld. Ende 2025 läuft das Versprechen der Industriestaaten aus, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen für die Entwicklungsländer zu »mobilisieren«, was erst mit zwei Jahren Verspätung eingehalten wurde. In Baku geht es nun darum, ein neues Finanzziel für die kommenden Jahre zu vereinbaren, das sich an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientiert. Und diese sind enorm, wie eine Studie im Auftrag der letzten beiden COPs zeigt: Die Entwicklungsländer (ohne China) benötigen 2400 Milliarden pro Jahr, um ihre Emissionen zu senken, sich an die Klimaerwärmung anzupassen sowie um Schäden und Verluste in Folge der Extremwetterereignisse zu bewältigen. Davon müssten 1000 Milliarden durch »internationale Finanzierung« aufgebracht werden. Ein Teil davon werden Kredite von Entwicklungsbanken und private Investitionen oder Mittel aus »innovativen Quellen«, etwa einer Abgabe auf Schiffsdiesel, sein. Doch auch dann bliebe noch ein Finanzbedarf von mehreren hundert Milliarden Dollar pro Jahr.
Bislang sind lediglich 24 Industrieländer verpflichtet, sich daran zu beteiligen. Etwa die EU verlangt aber eine Erweiterung des Kreises mit der Begründung, dass die bisherige Regelung 32 Jahre alt ist und die Welt sich seither verändert habe. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat auch eine Idee, wer zu den Geberländern gehören sollte: die »größten Emittenten von heute«. Darunter wären auch Länder wie China oder Saudi-Arabien. Doch diese lehnen das ab: »Wir werden eine Neuverhandlung der Beitragszahler und der Empfänger nicht in Betracht ziehen«, sagte im Vorfeld Chinas Verhandlungsführer für Finanzen, Chao Feng.
Hinzu kommt das US-Wahlresultat: Als größte Volkswirtschaft der Welt und historisch größter CO2-Emittent müssten die USA rund 40 Prozent zum neuen Finanzziel beitragen. Doch wenn Washington nächstes Jahr aus dem Paris Abkommen austritt, könnte der größte Beitragszahler wegfallen. Zudem kann die neue US-Regierung verhindern, dass im Rahmen anderer Organisationen »innovative Quellen« für die Klimafinanzierung erschlossen werden: Abgaben auf Schiffsdiesel und Flugbenzin oder eine Mindestbesteuerung von Milliardären. Selbst eine Kapitalerhöhung für die Weltbank ist ohne Zustimmung der USA nicht möglich.
Angesichts der schwierigen Ausgangslage appellierte UN-Generalsekretär António Guterres an die Teilnehmer: »Wir können den Schutz nicht aufschieben. Wir müssen handeln – jetzt.« Laut einem aktuellen Bericht des UN-Umweltprogramms müssten die Emissionen weltweit bis 2030 um 42 Prozent sinken, mit den aktuellen Plänen der Staaten wären es aber nur drei Prozent. Aktuell laufen diese auf eine Erderwärmung von 2,1 bis 2,8 Grad hinaus, während das Paris-Abkommen eine Grenze von möglichst 1,5 Grad festschreibt.
»Wir können Baku nicht ohne ein vernünftiges Ergebnis verlassen.«
Simon Stiell UN-Klimasekretariat
Spätestens bei der Klimakonferenz 2025 müssen alle Länder ihre Klimapläne nachschärfen. Bei COP 29 wird erwartet, dass einige Länder wie Brasilien, Aserbaidschan und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre neuen Ziele bereits vorstellen. Gerade für arme Entwicklungsländer wird dies aber nur dann möglich sein, wenn sie ausreichend Finanzmittel erhalten.
Wann über die kniffligen Geldthemen gesprochen werden kann, ist aber noch unklar, denn es zeichnet sich ein Streit um die Agenda der Konferenz ab: China, Indien, Brasilien und Südafrika wollen einen Tagesordnungspunkt zu handelspolitischen Klimamaßnahmen wie dem CO2-Grenzausgleich der EU. Dabei handelt es sich um eine Art Zoll auf besonders treibhausgas-intensive Produkte wie Stahl und Aluminium, der ausgleichen soll, dass europäische Produzenten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems einen CO2-Preis bezahlen. Aus Sicht der vier Länder sind solche Maßnahmen aber Protektionismus »unter dem Deckmantel von Klimazielen«. Laut Aaron Cosbey vom kanadischen Thinktank IISD ist die Forderung »explosiv«, und es könnte zu einem tagelangen Streit um die Agenda kommen: »Das Potenzial, dass diese Fragen den Fortschritt auf der COP zum Entgleisen bringen, ist sehr real.«
Es gibt allerdings auch weniger kontroverse Themen: Gastgeber Aserbaidschan will, dass die Länder sich dazu verpflichten, die Kapazität der Energiespeicher bis 2030 auf 1500 Gigawatt zu versechsfachen und ihre Stromnetze auszubauen. Dies würde das Ziel der Klimakonferenz 2023 ergänzen, die Kapazität der Erneuerbaren in dem Zeitraum zu verdreifachen. 90 Prozent der zusätzlichen Speicher werden Batterien sein, deren Preis in den letzten 15 Jahren um 90 Prozent gefallen ist und die schnell verfügbar sind, da sie »an den meisten Standorten gebaut werden können«, wie die Internationale Energieagentur erläutert. In Deutschland passiert das bereits: Thomas Dederichs vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion sprach kürzlich von einem »Tsunami an Anschlussbegehren« für Großbatterien.
Einen Ausstieg aus den fossilen Energien wird Aserbaidschan, der dritte Ölstaat als Gastgeber der Klimakonferenz in Folge, aber sicher nicht vorantreiben. Beim Petersberger Klimadialog im Mai hatte Präsident Ilham Aliyev gesagt: »Als Chef eines Landes, das reich an fossilen Energien ist, werde ich natürlich das Recht dieser Länder verteidigen, weiterhin zu investieren und zu produzieren.«
Initiativen des Gastgeberlandes wie die zu Erneuerbaren oder Speichern sind allerdings nicht Teil der eigentlichen Verhandlungen. Wenn die Länder den Multilateralismustest bestehen wollen, kommt es auf die formellen Beschlüsse an und dieses Jahr auf den Beschluss zur Finanzierung, also auf Geld.
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