US-Regierung drängt auf Hilfslieferungen

Israel steht in der Kritik, weil es den Norden des Gazastreifens von humanitärer Hilfe fast abgeschnitten hat

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.
Aus Beit Lahya im nördlichen Gazastreifen wurden viele Menschen vertrieben.
Aus Beit Lahya im nördlichen Gazastreifen wurden viele Menschen vertrieben.

»Kinder sterben, Menschen sterben jeden Tag«, sagte Louise Wateridge, Mitarbeiterin des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNRWA während einer Pressekonferenz. Die Hilfslieferungen in den Gazastreifen hätten im Oktober »den niedrigsten Stand seit Monaten« erreicht.

Tatsächlich ist das Bild noch viel dramatischer: Aus den kühlen Zahlenkolonnen der UN-Statistiken lässt sich ableiten, dass die täglichen Einfuhren in den Gazastreifen im vergangenen Monat den niedrigsten Stand nicht nur seit Kriegsbeginn, sondern seit Jahren erreicht haben. Wurden noch im September 2023 um die 500 Lastwagenladungen zu je 20 Tonnen täglich an den Grenzübergängen abgefertigt, waren es im Oktober nur noch 37. Die Menschen im Norden des Landstrichs hätten sogar einen ganzen Monat lang gar keine Lieferungen erhalten, so Wateridge. Denn dort konzentriert sich seit einiger Zeit der Krieg.

US-Ultimatum ohne Wirkung

Die israelischen Truppen haben dort eine regelrechte Blockade verhängt und damit US-Präsident Joe Biden dazu gebracht, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu ein Ultimatum zu stellen: Falls nicht innerhalb von 30 Tagen weit mehr Hilfslieferungen ermöglicht werden sollten, würde die US-Regierung Waffenlieferungen einstellen oder reduzieren. Am Dienstag ist dieses Ultimatum ausgelaufen. Viel passiert ist nicht.

Biden hatte gefordert, täglich 350 Lastwagenfuhren in den Gazasstreifen zu lassen. Davon ist man allerdings noch sehr weit entfernt: Am Montag wurden 51 Lastwagen an den Übergängen umgeladen. Allerdings werden nun auch Lieferungen in den Norden ermöglicht; ein Fortschritt sei das, heißt es verhalten in einem Statement des Weißen Hauses.

Die israelischen Truppen haben im Norden des Gazastreifens eine regelrechte Blockade verhängt.

Ob man bei den Waffenlieferungen wirklich Ernst machen wird? Das ist derzeit offen. Denn da ist auch die Möglichkeit, dass es zu einer erneuten Konfrontation zwischen Israel und dem Iran kommt. Und ein Stopp der Waffenlieferungen aus den USA soll eben ein Druckmittel sein, keine Schwächung der Verteidigungsfähigkeit Israels. Dass sich Netanjahu und seine Regierung aus ultrarechten und religiösen Parteien davon unbeeindruckt zeigt, hat aber auch damit zu tun, dass die einheimische Waffenproduktion in den vergangenen Monaten israelischen Medienberichten zufolge massiv ausgeweitet wurde, auch im Hinblick auf eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump.

Netanjahu und Trump hatten zwar in dessen erster Amtszeit ein sehr inniges Verhältnis; Trump verlegte gar die US-Botschaft auf Netanjahus Forderung hin nach Jerusalem. Aber in Israel spekulieren die Kommentatoren darüber, wie viel davon heute übrig geblieben ist: Im Wahlkampf hatte Trump verkündet, den Krieg im Nahen Osten schnell beenden zu wollen. In Israel wurde das als Zeichen gewertet, dass der Druck aus Washington stark zunehmen könnte.

Suspendierung Israels bei der Uno gefordert

In den vergangenen Jahren haben sich diplomatische und strategische Beziehungen zu vielen Staaten auf der arabischen Halbinsel entwickelt. Wichtig ist das vor allem im Konflikt mit dem Iran. Während des ersten Raketenangriffs aus dem Iran auf Israel hatte unter anderem Saudi-Arabien, mit dem keine offiziellen Beziehungen bestehen, dabei geholfen, den Angriff abzuwehren. Katar versuchte, im Gaza-Krieg zu vermitteln.

Doch nun erreicht der Gegenwind Orkanstärke. Am Ende eines Gipfels der arabischen und islamischen Staaten in der saudischen Hauptstadt Riad wurde eine Resolution beschlossen, in der unter anderem eine Suspendierung der Mitgliedschaft Israels bei den Vereinten Nationen gefordert wird.

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Palästinensische Regierung soll gestärkt werden

Gleichzeitig wurden am Rande des Gipfels aber auch kleine, positive Signale öffentlich: Das Politbüro der Hamas habe sich zu Zugeständnissen an die offizielle Regierung von Präsident Mahmud Abbas bereit erklärt hinsichtlich der Zukunft des Gazastreifens, heißt es in Medienberichten. Seit Monaten verhandeln beide Seiten in Kairo über die politische Zukunft Gazas, bisher erfolglos.

Nun machten die teilnehmenden Staaten bei ihrem Gipfel in Riad deutlich: Man werde Mechanismen schaffen, die die Abbas-Regierung stärken und es ihr ermöglichen sollen, auch im Gazastreifen die Kontrolle zu übernehmen. Die Hamas hatte 2007 die Macht in Gaza übernommen, nachdem Abbas verfassungswidrig einen von der Hamas gestellten Regierungschef gefeuert hatte.

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