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- Protestwelle trifft Landesregierung
30.000 auf Rheinwiesen gegen Sozialabbau
Massenprotest sendet klare Botschaft an Regierung in Düsseldorf
An die 30 000 Menschen versammelten sich am Mittwoch auf den Düsseldorfer Rheinwiesen, um gegen die geplanten drastischen Sozialkürzungen der schwarz-grünen Landesregierung zu demonstrieren. Unweit des nordrhein-westfälischen Landtages forderten Träger, Beschäftigte, Betroffene sowie zahlreiche politische und gewerkschaftliche Organisationen und die Opposition, die Pläne für den kommenden NRW-Haushalt zurückzunehmen.
Die schwarz-grüne Regierung plant für 2025 überproportional starke Kürzungen im sozialen Bereich – trotz eines Rekordetats von mehr als 105 Milliarden Euro. Besonders betroffen sind zentrale Bereiche: Die Mittel für Familienberatung und -bildung sollen halbiert, die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen um 60 Prozent gekürzt werden. Die Unterstützung von Paaren mit Kinderwunsch soll komplett entfallen. Frauenhäuser und -beratungsstellen müssten mit zwei Millionen Euro weniger auskommen. Selbst die Offenen Ganztagsschulen, obwohl ab 2026 ein Rechtsanspruch auf einen Platz gilt, sind von Kürzungen betroffen. Viele soziale Träger stünden dadurch vor dem Aus, warnte die Freie Wohlfahrtspflege NRW. Bereits jetzt müssten Beratungs- und Betreuungsangebote eingeschränkt werden, erklärte ihr Vorsitzender Hartmut Krabs-Höhler im Vorfeld.
Zahlreiche Wohlfahrtsverbände warnten am Mittwoch vor einem »sozialen Kahlschlag«. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) lege »die Axt an das soziale NRW«, kritisierte die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber, die als Hauptrednerin sprach. »Wer jetzt Gelder für die soziale Arbeit kürzt, der wird für die Folgen geradestehen müssen«, sagte sie. Die Haushaltspolitik der Landesregierung sei ein »Schlag ins Gesicht« derjenigen, die mit ihrer täglichen Arbeit den sozialen Zusammenhalt sichern.
Auch Susanne Hille, Landesfachbereichsleiterin von Verdi, warnte vor den langfristigen Folgen: »Unsere Demokratie lebt von einem funktionierenden Sozialstaat, den wir gemeinsam aufrechterhalten müssen.« Gelder für Kindereinrichtungen fehlten, und Alter oder Pflegebedürftigkeit würden zunehmend zu Armutsrisiken. Eine Sozialarbeiterin aus Köln unterstrich, dass ohne die gekürzten Mittel – insgesamt etwa 83 Millionen Euro – viele Projekte enden und Personal entlassen werden müsse. »Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern bereits fünf nach zwölf«, erklärte eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werkes Bonn. Wenn die NRW-Regierung nicht einsehe, dass sie »falsche Prioritäten« gesetzt habe, müsse sie die Konsequenzen tragen.
Die Veranstalter – darunter Caritas, Diakonie und Arbeiterwohlfahrt – bewerteten die hohe Teilnehmerzahl als deutliches Signal an die Landesregierung. Auch die NRW-Linke beteiligte sich am Protest. »Die Kürzungen sind absolut unverantwortlich«, erklärte Landesparteichefin Katrin Vogel. Die Einsparungen träfen vor allem Menschen ohne Lobby und gefährdeten den sozialen Zusammenhalt im Land.
Während der Kundgebung wurde wiederholt die Frage gestellt, warum die vergleichsweise geringen Summen im Sozialhaushalt nicht an anderer Stelle eingespart werden können. Kritisiert wurde, dass die Kürzungen von Parteien forciert werden, die auf Bundesebene mehr Ausgaben für das Militär vorantreiben und sich gegen eine stärkere Besteuerung von Erbschaften und Vermögen aussprechen.
NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) verteidigte die Kürzungen am Mittwoch vor den Protestierenden und verwies auf Steuermindereinnahmen von 1,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr. »Wenn die Einnahmen ausbleiben, muss man schweren Herzens kürzen. Die Kürzungen fallen ihm nicht leicht«, erklärte Laumann unter Pfiffen und Buhrufen. Klassisch neoliberal fügte er hinzu: »Eine gut laufende Wirtschaft ist noch immer die beste Sozialpolitik.«
Einen Ausweg aus den Kürzungen sah die SPD-Opposition Anfang der Woche in den sogenannten Selbstbewirtschaftungsmitteln der Ministerien – ein Finanzpolster von etwa acht Milliarden Euro, das ohne konkrete Zweckbindung zugewiesen wird. Ministerpräsident Wüst wies diesen Vorschlag jedoch zurück. Die Mittel seien bereits für langfristige Finanzzusagen einzelner Ressorts verplant.
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