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Jüdisches Magazin zu Amsterdam: Gleichzeitig mehrere Wahrheiten
Der »Forward« bemühte sich direkt nach den Ausschreitungen um ein ausgewogenes Lagebild. Eine Dokumentation
Mitglieder der kleinen jüdischen Gemeinde in Amsterdam konfrontierten am Freitagmorgen den stellvertretenden Bürgermeister der Stadt und forderten Antworten für das Versagen dabei, gewalttätige Angriffe auf israelische Fußballfans am Vorabend zu verhindern, die internationale jüdische Organisationen als Pogrom verurteilt hatten. »Meine Eltern haben Angst, ich habe Angst«, rief ein Mann während der Versammlung. »Ich habe eine kleine Tochter – was wird getan, verdammt noch mal?« Ein älterer, in einen Wintermantel gehüllter jüdischer Mann antwortete: »Nichts, absolut nichts. Seit dem 7. Oktober, nichts.«
Es war ein Ausdruck der Angst, die viele der schätzungsweise 15 000 jüdischen Einwohner Amsterdams an dem Tag empfanden, nachdem fünf israelische Anhänger von Maccabi Tel Aviv, die wegen eines Spiels gegen Ajax in der Stadt waren, nach Angriffen arabischer und muslimischer Angreifer ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Die Angriffe hatte die Bürgermeisterin als »antisemitische Hit-and-Run-Squads« bezeichnet. Die Polizei nahm im Zusammenhang damit zunächst 62 Personen fest, und bis Samstag befanden sich noch vier in Gewahrsam, denen möglicherweise öffentliche Gewalt vorgeworfen wird. Die Behörden verboten Demonstrationen sowie für drei Tage das Tragen von Vollverhüllungen in der Stadt.
Videos in den sozialen Medien zeigten Männer, die am Donnerstagabend durch die Straßen rannten, Israelis schlugen und mit Feuerwerkskörpern auf sie schossen. »Gaza!«, schreit in einem Clip ein Mann, der Feuerwerkskörper anzündet. »Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt.« Ein niederländischer Blog veröffentlichte Screenshots aus einer Whatsapp-Gruppe, die Leute zeigten, die vor den Angriffen über eine »Judenjagd« diskutierten.
Dieser Text wurde bereits am Tag nach den Ausschreitungen im amerikanisch-jüdischen Magazin »Forward« auf Englisch online veröffentlicht. Seitdem gab es täglich neue Nachrichten, Augenzeugenberichte und diverse Posts in sozialen Netzwerken: So dokumentierten Videos einerseits, wie auch Maccabi-Fans selbst in der Nacht nach dem Fußballspiel teilweise bewaffnet auf der Suche nach Auseinandersetzungen arabische Demonstranten jagten. Bei ihrer Rückkehr nach Israel verherrlichten sie zudem Kriegsverbrechen an der Bevölkerung Gazas.
Andererseits gibt es nun auch Berichte, nach denen propalästinensische Gruppen in Amsterdam auch Menschen antisemitisch beleidigt und bedroht hätten, die nicht zu den marodierenden Fans gehörten, zum Teil gar keine Israelis, sondern jüdische oder als Juden gelesene Personen sind oder Gewaltopfern zu Hilfe geeilt waren. nd
Einige niederländische Juden bemerkten jedoch, dass umherziehende Banden von Fans von Maccabi Tel Aviv bereits Dienstag- und Mittwochnacht durch die Innenstadt marodierten und rassistische antiarabische Parolen skandierten, über eine Fassade kletterten, um eine palästinensische Flagge vom ersten Stock eines Wohnhauses zu reißen, und einen marokkanischen Taxifahrer angriffen.
Hooliganismus und Straßenschlachten
Jelle Zijlstra, der Jude ist und als Gemeinde-Organisator in Amsterdam arbeitet, veröffentlichte einen Beitrag, der auf Instagram viral ging und in dem er feststellte, dass »mehrere Wahrheiten gleichzeitig existieren können«. Er hob sowohl die Angriffe auf Israelis als auch Aufnahmen hervor, in denen die Fans am Abend zuvor »F*** Palästina!« riefen.
»Bei einigen der Ereignisse war definitiv Antisemitismus im Spiel«, sagte Zijlstra in einem Interview. »Wurden Juden auf der Straße angegriffen? Ja, aber diese Juden waren auch gewalttätige Hooligans.«
Hunderte Fans von Maccabi Tel Aviv waren nach Amsterdam zu einem Spiel am Donnerstagabend gegen Ajax angereist, ein Top-Fußballteam in den Niederlanden, das seit Langem enge Beziehungen zu Israel pflegt und dessen Fans sich selbst als »Juden« bezeichnen. Tori Eghermann, eine amerikanische Jüdin, die vor 20 Jahren nach Amsterdam gezogen war, sagte, sie sei am Donnerstagabend am Dam-Platz im Stadtzentrum vorbeigekommen und habe die Maccabi-Fans gesehen, die dort sangen und Rauchbomben zündeten. »Sie waren wirklich unglaublich gut organisiert und aufgekratzt«, sagte sie.
Eghermann merkte an, dass gewalttätige Zusammenstöße zwischen Anwohnern und rassistischen Fußball-Hooligans in Amsterdam keine Seltenheit seien. »Es ist nicht so, dass Fußball-Fanclubs für ihre friedliche Präsenz in der Gemeinde bekannt wären.« Die israelischen Fans gerieten später mit propalästinensischen Demonstranten aneinander, sangen »F*** Palästina!« und riefen: »Lasst die IDF die Araber f******.«
Ori Goldberg, ein linker israelischer Akademiker, der sich mit der Sportkultur beschäftigt, sagte, Maccabi Tel Aviv habe nicht den Ruf, eine derart rechtsgerichtete Politik zu vertreten wie der dafür berüchtigte Klub Beitar Jerusalem, dessen Fans die Besitzer des Teams lange daran hinderten, arabische Spieler zu verpflichten. »Maccabi Tel Aviv ist der Mainstream des Mainstreams«, sagte Goldberg. »Aber das Verhalten der Fans ist im Moment sehr proisraelisch: Die Welt hasst uns sowieso, weil die Welt Juden hasst, also werden wir unseren Kampf und unsere Sache überallhin mitnehmen, wo wir hingehen.«
Es war unklar, inwieweit die Angriffe, die am Donnerstagabend stattfanden – unter anderem wurde ein israelischer Fan in einen Kanal geworfen und gezwungen, »Free Palestine« zu rufen – im Voraus geplant waren oder ob es sich um eine spontane Reaktion auf beleidigendes Verhalten israelischer Fans handelte. Israelische Nachrichtenagenturen berichteten, dass sich nach dem Spiel Hunderte von Männern vor ihrem Hotel versammelt und Kontrollpunkte eingerichtet hätten, um die Pässe der Touristen zu sehen.
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»Wir wissen nicht, ob die Leute, die letzte Nacht angegriffen wurden, dieselben Leute waren, die rassistische Parolen skandierten«, sagte Asjer Waterman, ein Rabbinerstudent in Amsterdam. »Es gibt echte Beweise dafür, dass Menschen auf ›Judenjagd‹ gingen.« Ami Shuman, ein Fotograf der rechtsgerichteten israelischen Zeitung »Israel Hayom«, sagte, er sei mit seinem Sohn eingekesselt gewesen, als er am Donnerstagabend versuchte, der Gewalt zu entkommen, und dass sie schließlich von der Polizei zurück in ihr Hotel eskortiert werden mussten.
»Wir haben Gewalt gesehen, wir haben Leute mit blauen Augen und tiefen Schnitten unter den Augen gesehen, wir haben jemanden gesehen, der versehentlich von einem Polizisten geschlagen wurde, und eine weinende Frau«, sagte Shuman der »Times of Israel«. »Sie kamen in Massen und rannten durch die Gassen.«
Waterman, der auch als strategischer Berater für die lokale gemeinnützige Organisation Jewish Social Work arbeitet, verbrachte den Freitag damit, israelischen Fans zu helfen, die von Freiwilligen an einen sicheren Ort gebracht worden waren, der wiederum von einem jüdischen Sportverein in Amsterdam zur Verfügung gestellt wurde. Er bemerkte, dass die Gewalt anscheinend nur auf die israelischen Besucher abzielte und nicht auf niederländische Juden oder jüdische Institutionen. Waterman sagte jedoch, dass viele in der Gemeinde dennoch erschüttert seien, insbesondere nach einem Jahr, in dem sie nach dem Terroranschlag vom 7. Oktober in Israel und dem Beginn des Krieges in Gaza eine zunahme antisemitischer und antiisraelischer Aktivitäten erlebt hatten.
Zwang, für Israel zu sprechen
So demonstrierten im März Hunderte vor der Eröffnung des ersten Holocaust-Museums der Stadt und protestierten gegen die Anwesenheit des israelischen Präsidenten Isaac Herzog, beschuldigten aber auch die anwesenden niederländischen Holocaust-Überlebenden, »zionistischer Abschaum« und »Babymörder« zu sein.
Waterman sagte, dass viele niederländische Juden wie Vertreter Israels behandelt würden, eine besondere Belastung in einem Land mit nur 30 000 Juden. »Man könnte das einzige jüdische Kind in der Schule sein, und die anderen Kinder sagen: ›Hey, was macht ihr Leute in Israel? Warum tötet ihr Kinder?‹«, erklärte er. »Das kann einen dazu zwingen, Dinge zu verteidigen, mit denen man nicht unbedingt einverstanden ist.«
Antisemitische Gesänge sind auch in niederländischen Fußballstadien üblich. »Hamas, Hamas, Juden ins Gas« war früher ein beliebter Jubelruf der Fans von Mannschaften, die gegen Ajax spielten, weil der Klub viele jüdische Verbindungen hatte. Zuletzt ist der Jubelruf zwar in Ungnade gefallen, aber andere abwertende Lieder haben seinen Platz eingenommen. »Spreche ich mit Fans, versichern sie mir, dass sie nicht antisemitisch seien, sondern es nur wegen Ajax tun. Aber da spielen definitiv noch andere Faktoren mit hinein«, sagte Boaz Krone, ein Sozialarbeiter in Amsterdam.
Unterdessen haben sich rechtsextreme niederländische Politiker, die im Juli die Regierung übernommen hatten, als Beschützer der holländischen Juden positioniert, indem sie den Antisemitismus der arabischen und muslimischen Bewohner des Landes ausnutzten. »Ein Pogrom in den Straßen von Amsterdam«, sagte Geert Wilders, der (die rechtsextreme Partei für die Freiheit, Anm. d. Red.) in der Regierungskoalition anführt, am Freitag auf X. »Wir sind zum Gaza Europas geworden.«
Diese Art von Rhetorik geht dem Gemeinde-Organisator Zijlstra auf die Nerven. Ihn frustrieren sowohl die Behauptung von Linken, die Gewalt gegen die Israelis sei gerechtfertigt gewesen, als auch Politiker wie Wilders, die die Angriffe aus ihrem Kontext reißen, um eine eigene Agenda durchzusetzen, die die meisten Juden des Landes nicht unterstützen. »Ich denke wirklich, wir sollten versuchen, bei Verstand zu bleiben, und nicht zulassen, dass unser Schmerz und unser Trauma auf diese Weise als Waffe eingesetzt werden«, sagte Zijlstra.
Diese Geschichte wurde ursprünglich im »Forward« veröffentlicht. Klicken Sie hier, um den kostenlosen E-Mail-Newsletter von »Forward« zu erhalten.
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