Schlaflos in Seattle

Die Pseudo-Selbstverteidigungsklausel »Stand your Ground« könnte in den USA bald auch gegen Wohnungslose angewendet werden

Es ist die Sichtbarkeit von Wohnungslosigkeit im öffentlichen Raum, die Republikaner wie Demokraten eliminieren wollen
Es ist die Sichtbarkeit von Wohnungslosigkeit im öffentlichen Raum, die Republikaner wie Demokraten eliminieren wollen

Die kommende US-Regierung wird viele Katastrophen herstellen oder dramatisch verschärfen. Besonders hart wird es die treffen, die es ohnehin schon am schwersten haben – zum Beispiel die halbe Million Menschen, die im reichsten Staat der Erde wohnungslos sind. Geht es nach dem faschistischen »Project 2025«, wird die kommende Trump-Administration die für Wohnungspolitik zuständige nationale Behörde, das Department of Housing and Urban Development (HUD), abschaffen. Die bislang drastischste Verschlechterung der Situation Wohnungsloser in den vergangenen Jahrzehnten setzten mithin die Demokraten durch. Unter Obama schloss das HUD im Jahr 2009 Familien, die vorübergehend bei Angehörigen oder Freunden unterkommen, aus seiner Definition von Wohnungslosigkeit aus. Gleiches gilt für Familien, die genug Geld für eine Nacht in einem Hotelzimmer aufbringen können. Damit halbierte sich die unschön hohe Zahl auf einen Schlag – und Hunderttausende standen ohne Anspruch auf staatliche Unterstützung da.

Die Einigkeit von Demokraten und Republikanern in diesem spezifischen Feld bürgerlicher Menschenfeindlichkeit zeigt sich besonders deutlich in Kalifornien, wo knapp die Hälfte aller Wohnungslosen in den USA lebt. Kurz nach dem grünen Licht des Supreme Courts für das Verbot, auf der Straße zu schlafen, selbst wenn keine Notunterkünfte zur Verfügung stehen, erließ Gouverneur Gavin Newsom im Sommer dieses Jahres ein Dekret, um diese Entscheidung möglichst schnell umsetzen zu können. Die Wohnungslosigkeit ist übrigens schlicht der große Bruder der Verdrängung und beide gemeinsam sind notwendige Produkte des kapitalistischen Wohnungsmarkts. Die Kriminalisierung wohnungsloser Menschen ist nur eine besonders autoritäre »Lösung« dieses Widerspruchs. Und es wäre nicht der US-Style, wenn nicht selbst damit wieder Geld verdient würde: Die harte wohnungspolitische Linie ist längst Teil einer nationalen politischen Agenda, die etwa von dem libertären Think Tank Cicero-Institut vorangetrieben wird und sich dafür einsetzt, Wohnungslose in privat betriebenen, profitbasierten Gefängnissen zu inhaftieren.

Nun ist auch der gefängnisindustrielle Komplex keine Erfindung der Rechten. Aber da viele mutmaßliche Angehörige der zukünftigen US-Regierung Faschisten sind, gehen sie über diese demokratische Normalität eben noch hinaus – in Richtung Lager und Vernichtung, wie es so ihre Art ist. Während Trump obdachlose Menschen in »Zeltstädte mit Ärzten und Sozialarbeitern« deportieren will, planen etwa die Verfasser des »Safer Kentucky Act« im gleichnamigen US-Bundesstaat drastische Strafverschärfungen für Drogendelikte, Obdachlosigkeit und psychische Erkrankung – und, hier geht’s richtig zur Sache: die Legalisierung von »tödlicher Gewalt« durch Private, die sich von Personen, die auf ihrem Eigentum übernachten, »bedroht fühlen«. Die ersten Toten werden nicht lange auf sich warten lassen, that’s for sure.

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