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Symbolpolitik mit Raketen

US-Präsident Joe Biden soll grünes Licht für den Einsatz von ATACMS-Raketen in Russland gegeben haben

Bisher setzt die Ukraine US-amerikanische ATACMS-Raketen im eigenen Land ein. Jetzt will sie damit Russen und Nordkoreaner in Kursk angreifen
Bisher setzt die Ukraine US-amerikanische ATACMS-Raketen im eigenen Land ein. Jetzt will sie damit Russen und Nordkoreaner in Kursk angreifen

Noch gibt es keine offizielle Betätigung aus dem Weißen Haus, doch US-amerikanischen Medienberichten zufolge soll der scheidende Präsident Joe Biden kurz vor Ende seiner Amtszeit dem Drängen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nachgegeben und ihm erlaubt haben, mit US-Raketen russisches Territorium zu beschießen. In Berlin hieß es am Montag, das Bundeskabinett sei über die Entscheidung informiert worden.

Eine ursprüngliche Meldung der französischen Tageszeitung »Le Figaro«, dass auch Paris und London die Schießerlaubnis mit ihren Raketen erteilt habe, kassierte die französische Regierung am Montag wieder ein. Frankreich überlege noch, aber bisher habe sich an der ablehnenden Haltung nichts geändert, sagte Außenminister Jean-Noël Barrot.

Paris dementiert Zusage für französische Raketen

Während die Reaktion auf die vermeintliche Biden-Entscheidung in den meisten westlichen Ländern erwartbar zwischen Zustimmung und Jubel schwankt, kam aus Moskau die ebenso erwartete Kritik. »Wenn eine solche Entscheidung tatsächlich formuliert und dem Kiewer Regime mitgeteilt wurde, hat das die Qualität einer neuen Windung der Eskalationsspirale«, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Es sei auch eine »qualitativ neue Lage hinsichtlich der Verwickelung der USA in den Konflikt«, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Schließlich kämen die Zielkoordinaten und die Versorgung aus westlichen Ländern.

Was im allgemeinen westlichen Jubel untergeht: Bei der vermeintlichen Freigabe handelt es sich nicht um Langstreckenraketen, wie viele Medien vorschnell vermeldeten. Moskau oder gar St. Petersburg geraten nach mittlerweile 1000 Tagen Krieg nicht in Raketenreichweite. Vielmehr, so heißt es bisher, soll die mögliche Erlaubnis sich auf das Gebiet Kursk beschränken. Eine ähnliche Schusserlaubnis gab es bereits für die Gegend rund um Charkiw.

Raketen sollen Kursk-Invasion unterstützen

Im Klartext bedeutet das, dass US-amerikanische Raketen die ukrainischen Invasiontruppen in Kursk gegen die russische Gegenoffensive unterstützen. Später könnte die Erlaubnis auch für andere Gebiete gelten, schreibt die »Washington Post«. Washington erhofft sich, Pjöngjang von weiterer Unterstützung Russlands abhalten zu können, wenn nordkoreanische Soldaten bei den Angriffen sterben, vermutet das US-amerikanische Portal »Axios«. Im Rahmen des russisch-nordkoreanischen Abkommens sollen mehrere Tausend nordkoreanische Soldaten bereits im Gebiet Kursk angekommen sein. Darüber, ob sie bereits an Kampfhandlungen teilgenommen haben, gibt es widersprüchliche Aussagen.

Die Schläge mit westlichen Raketen, so das Kalkül Selenskyjs, sollen Kiew zudem eine bessere Ausgangssituation für Verhandlungen ermöglichen. Die könnten im kommenden Jahr beginnen, sagte der ukrainische Präsident vor wenigen Tagen. Bisher zeigt allerdings keine Seite Verhandlungsbereitschaft. Am Montag bekräftigte Peskow, Moskau wolle keinen Waffenstillstand entlang der aktuellen Frontlinie. Kriegsziel, so der Kreml-Sprecher, sie die volle Kontrolle über die vier annektierten ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie ein neutraler Status der Ukraine.

ATACMS werden Ukraine-Krieg nicht entscheiden

Am Wochenende griff Russland die Energieversorgung der Ukraine massiv mit Drohnen und Raketen an. In Sumy starben beim Einschlag einer Rakete in ein Wohnhaus mindestens elf Menschen. Am Montag kamen mindestens zehn Menschen in Odessa ums Leben. Auch ihr Haus wurde von einer russischen Rakete getroffen, die zuvor von der ukrainischen Luftabwehr abgeschossen wurde.

Fest steht: Eine mögliche Freigabe für den Einsatz US-amerikanischer Raketen auf russischem Gebiet wird keinen spürbaren Einfluss auf das Kriegsgeschehen haben. »Ich denke nicht, dass es ein Wendepunkt ist«, gestand der polnische Außenminister Władysław Kosiniak-Kamysz bei einem Fernsehauftritt.

Diplomaten sprechen von Symbolpolitik

Auch westliche Diplomaten in Kiew äußern sich ähnlich. »Das ist eine symbolische Entscheidung, um den Einsatz zu erhöhen und militärische Unterstützung der Ukraine zu demonstrieren, die man schon längst hätte leisten müssen. Das kann den Preis des Krieges für Russland in die Höhe treiben«, zitiert die BBC einen anonymen Diplomaten.

Unklar scheint zudem zu sein, wie viele Raketen die Ukraine überhaupt abfeuern kann. »Ich öffne den Champagner noch nicht, denn wir kennen nicht die genauen Zahlen der Raketen, die die Ukraine im Bestand hat«, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis vor einem EU-Treffen in Brüssel. »Es stellt sich also die Frage, ob sie mit genügend Raketen ausgestattet ist, um einen Unterschied auf dem Schlachtfeld zu machen.«

Russland droht mit neuen Waffen

Russland hat schon längst damit begonnen, strategische Militäreinheiten aus dem Radius der Raketen zu verlagern. Und im Donbass rücken Moskaus Soldaten seit Wochen vor, ohne dass die ukrainische Armee wirkliche Gegenwehr leisten kann. Befürchtet wird, dass die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk demnächst erobert wird. Innerhalb der Armee wird immer heftiger kritisiert, dass Selenskyj den Donbass für Kursk opfert.

Ukrainischen Angaben zufolge hat Moskau über türkische und saudi-arabische Kanäle Selenskyj vor den Folgen eines Raketeneinsatzes in Kursk gewarnt und mit weiteren Schlägen gegen die ukrainische Energieinfrastruktur gedroht. Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin polterte, Moskau könne demnächst »neue Waffensysteme« gegen die Ukraine einsetzen. Welche damit gemeint sind, sagte er nicht.

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