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Fast alle außer Scholz wollen Taurus liefern
Auch Vizekanzler Habeck kündigt an, die Ukraine mit deutschen Marschflugkörpern zu versorgen
Spätestens seit Bekanntwerden der Nachricht, dass der scheidende US-Präsident der Ukraine nun den Einsatz von weit auf russisches Territorium reichenden US-Marschflugkörpern erlaubt, ist es noch einsamer um den deutschen Kanzler geworden. Die Unionsparteien fordern ohnehin seit dem vergangenen Jahr vehement die Lieferung deutscher Taurus-Lenkflugkörper an die Ukraine. Auch maßgebliche Akteure von FDP und Grünen treten seit langem für die Bereitstellung dieser Waffensysteme für den Einsatz durch die Ukraine ein.
Bereits vor den ersten Nachrichten über die Entscheidung Bidens kündigte der frisch gewählte Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck an, er werde im Fall seiner Wahl zum Regierungschef Taurus-Systeme an die Ukraine liefern. »Die Antwort ist Ja«, sagte Habeck am Sonntagabend in einem Interview des ARD-Hauptstadtstudios auf die Frage, ob er die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) revidieren würde, dies nicht zu tun.
Scholz hält derweil an seinem Nein fest. Auch der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid ist dagegen: Der Taurus sei »aus guten Gründen bislang nicht geliefert worden«, sagte er der »Rheinischen Post«. Die Entscheidung von Joe Biden habe zudem innenpolitische Gründe. Scholz begründet seine Position damit, dass von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau getroffen werden können, was die Lage eskalieren und Deutschland zur Kriegspartei machen würde.
Die SPD steht zwar offiziell hinter dem Kanzler, doch innerhalb der Partei gibt es seit jeher scharfe Widersacher. So hat Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, den Kurs von Scholz wiederholt verurteilt. Am Montag kritisierte Roth die mangelnde internationale Geschlossenheit in Bezug auf weitreichende Raketen für ukrainische Angriffe auf russisches Gebiet.
Die Bundesregierung hat nach Meinung von Roth beim Thema weitreichende Waffen »frühzeitig« den »bewährten Pfad« der engen Orientierung ihrer Ukraine-Politik an den USA verlassen. Das schwäche »nicht nur die Ukraine, sondern auch Deutschlands Reputation bei unseren Verbündeten«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Und fügte hinzu: »Unsere rote Linie sollte immer das Völkerrecht sein - und das lässt den Einsatz weitreichender Waffen auch gegen militärische Ziele auf russischem Boden zu.«
Grünen-Verteidigungspolitikerin Sara Nanni forderte derweil am Montag: »Deutschland sollte sich den USA anschließen und Taurus liefern.« Seit Monaten setze man sich dafür ein, »dass diese Entscheidung endlich getroffen wird«, sagte die Bundestagsabgeordnete der Grünen. »Als Grüne waren wir da immer klar. Jetzt ist der Kanzler am Zug.«
Scharfe Kritik an der Entscheidung des Noch-US-Präsidenten und der Befürwortung von Taurus-Lieferungen durch die Mehrheit der politischen Wortführer in Deutschland kam vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), moderate von der Linken. Wagenknecht sagte der »Welt«, Biden sei einen weiteren Schritt »in Richtung großer Krieg« gegangen. Dass nun Grüne, FDP und Union die Taurus-Debatte erneut befeuerten, sei hochgefährlich, so die Bundestagsabgeordnete. »Taurus-Raketen zu liefern, die von der Bundeswehr programmiert werden müssen, ist praktisch eine Kriegserklärung an die Atommacht Russland«, warnte sie. Die Debatte zeige, »dass eine Merz-Habeck-Regierung eine Kriegskoalition für Deutschland wäre«.
Der Linke-Ko-Vorsitzende Jan van Aken sagte am Montag in Berlin: »Wenn ich für jedes Mal Taurus in diesem Land auch einmal das Wort Diplomatie gehört hätte, wären wir unendlich viel weiter.« Er forderte diplomatische Anstrengungen und »effektive Sanktionen« gegen russische Institutionen und Kriegsprofiteure. Gregor Gysi, außenpolitischer Sprecher der Linken im Bundestag, erklärte: »Jeder Schritt der Eskalation, ob von russischer oder ukrainischer Seite, ob indirekt von den USA oder anderen NATO-Staaten, ist zu verurteilen. Es muss endlich auf Deeskalation und Waffenstillstand gesetzt werden.«
Derweil vollzogen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Montag beim Rüstungsunternehmen MBDA in Schrobenhausen den symbolischen ersten Spatenstich für eine Werkserweiterung. Es will damit die Kapazitäten für die Produktion und Lagerung von Lenkflugkörpern vergrößern, darunter Taurus. Die Deutschland-Tochter des europäischen Konzerns MBDA ist mit Saab Dynamics aus Schweden Teil der Taurus Systems GmbH.
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