Mosambik: »Frelimo setzt auf Ermüdung«

Fredson Guilengue über die Unruhen und Proteste in Mosambik nach den Wahlen

  • Interview: Andreas Bohne
  • Lesedauer: 5 Min.
Friedliche Konfrontation war nicht die Regel: Demonstrant trifft in Maputo am 7. November auf einen Bereitschaftspolizisten.
Friedliche Konfrontation war nicht die Regel: Demonstrant trifft in Maputo am 7. November auf einen Bereitschaftspolizisten.

Mosambik kommt nach den Wahlen am 9. Oktober nicht zur Ruhe. Der Oppositionskandidat Venâncio Mondlane von der Partei Podemos erklärte sich zum Sieger und ruft seither zu Protesten und Streiks auf, nachdem die Regierungspartei Frelimo offiziell als Sieger ausgewiesen wurde. Bei Demonstrationen gegen das Wahlergebnis kamen Dutzende Menschen ums Leben. Können Sie die Entwicklungen seit dem Wahltag in Mosambik kurz zusammenfassen?

Wir müssen vor dem Urnengang beginnen. Schon vor dem Wahltag gab es Vorwürfe, dass die Wählerregistrierung behindert wurde. Auch war sehr offensichtlich, wie die offiziellen Medien für die Regierungspartei warben. Am Wahltag gab es weitere Berichte über Unregelmäßigkeiten in Bezug auf Personen, die bereits ihre Stimme abgegeben hätten, dabei hatten sie noch gar nicht gewählt. Die meisten dieser Stimmen wurden zugunsten der Regierungspartei ausgewiesen, obwohl es ein oder zwei Fälle gab, in denen einige Stimmen für Podemos registriert wurden. Auch bei den Auszählungen kam es zu Unregelmäßigkeiten, manchmal wurden sie einfach annulliert. Die Opposition, insbesondere die Partei Podemos, legte daraufhin eine Beschwerde beim Verfassungsrat ein. Während dieses Prozesses wurde der Podemos-Anwalt Elvino Dias zusammen mit seinem Parteikollegen Paulo Guambe ermordet. Als die Wahlkommission die Ergebnisse bekannt gab, dass die Frelimo mit mehr als 70 Prozent gewonnen hat, entlud sich Frust. Spontane Proteste traten auf, und der Zweitplatzierte, Venâncio Mondlane, rief über die sozialen Medien zu nationalen Streiks und Demonstrationen auf.

Wie reagiert die Regierung auf die Proteste und Streiks?

Die Regierung reagierte mit Gewalt, die bisher mindestens 60 Todesopfer gefordert hat. Die Zahl variiert je nach Quelle. Auch das Internet wurde wiederholt abgeschaltet. Die Frelimo beharrt natürlich darauf, dass sie die Wahlen gewonnen hat, und fordert die anderen Parteien auf, die Entscheidung des Verfassungsrates abzuwarten, statt auf die Straße zu gehen. Aber ich denke, die Strategie der Frelimo lässt sich sehr gut mit den portugiesischen Worten Vencer Pelo Cançaso zusammenfassen, was wörtlich »durch Müdigkeit gewinnen« bedeuten würde. Die Frelimo will warten, bis die Bevölkerung aufhört zu protestieren, bevor sie weiterregiert.

Interview

Fredson Guilengue ist Projektmanager der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Südafrika und kommentiert regelmäßig die politische Situation in Mosambik für internationale Medien.

Wann wird der Verfassungsrat entscheiden?

Gemäß der Verfassung haben sie keine Frist. Aber ich glaube, dass das finale Ergebnis bald verkündet wird. Nach meiner Lesart könnten sie vielleicht mit einer Entscheidung aufwarten, um die Wahlen hier und da wiederholen zu lassen oder hier und da neu auszuzählen. Aber ich glaube nicht, dass der Verfassungsrat die Durchführung von Neuwahlen fordern wird. Die Frelimo wird vielleicht zwei oder drei Abgeordnete verlieren, aber dennoch genug Vorsprung haben. Und ihre Strategie wird darin bestehen, eine pseudoinklusive Regierung zu bilden, in die sie sogenannte unabhängige Personen aufnimmt. Damit werden sie versuchen, die Wogen zu glätten.

Die Proteste, ob in Afrika wie in Kenia oder in Asien wie in Bangladesch, werden immer wieder als Gen-Z-Proteste bezeichnet. Damit ist eine junge politische Generation gemeint, die mit alten autoritären Strukturen brechen will. Sehen Sie in Mosambik das Gleiche passieren?

Es gibt einige Parallelen. Die junge Generation ist völlig abgekoppelt von zwei wichtigen historischen Prozessen in Mosambik: dem Kolonialismus und dem Bürgerkrieg. Die Frelimo mit ihrem Nimbus als Befreiungsbewegung kann bei ihnen nicht gewinnen. Sie treffen ihre Entscheidungen auf der Grundlage dessen, was sie heute sehen. Das sind Korruption, Missstände in der Verwaltung, hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Ermordung von Personen, die nicht mit der Elite übereinstimmen. Eine große Rolle spielt die Tatsache, dass sie einen außerordentlichen Zugang zu Informationen haben, die nicht unter der Kontrolle der staatlichen Medien stehen. Gleichzeitig produzieren sie ihre eigenen Informationen und verbreiten sie über soziale Medien.

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Sind die Protestierenden für Mondlane oder richten sie sich gegen die Frelimo?

Mondlane ist gegenwärtig der Sprecher des Volkes. Ich positioniere Mondlane in eine »Mitte-konservative Ideologie« mit starken Bezügen zur christlichen Religion. Er bringt die Politisierung der Religion auf ein sehr hohes Niveau. Dagegen hat die Frelimo, die bis 1989 Marxismus-Leninismums im Parteiprogramm hatte, versucht, Religion im Hintergrund zu halten. Und Mondlane hat es geschafft, verschiedene Klassen zusammenzubringen – die Leute auf der Straße, Teile der Arbeiterklasse, die Ärzte und Vertreter der Elite wie die Teile der Geschäftswelt, die ein großes Interesse an Sicherheit haben. Es ist also eine Bewegung, die nicht nur die Unterschicht der Gesellschaft betrifft. Wenn die Mittelschicht nicht demonstriert, zeigt sie sich solidarisch durch Schlagen auf Kochtöpfe oder das Aufstellen von Kerzen in der Nacht. Es ist das erste Mal, dass wir in Mosambik eine solche Verbindung sehen.

Es gibt Stimmen in Mosambik wie auch aus Südafrika, dass ähnlich wie im Nachbarland eine »Regierung der nationalen Einheit« gebildet werden soll. Ist das realistisch?

Eine Regierung der nationalen Einheit wird das Problem nicht lösen. Erstens: Wie kann mit Ergebnissen, die nicht der Realität entsprechen, eine nationale Einheit gebildet werden? Wen laden Sie für diese nationale Einheit ein? Der Prozess in Südafrika war möglich, weil es einen Gewinner gab, der von den anderen Parteien akzeptiert wurde. Zweitens: In Mosambik gibt es keine politische Kultur der Integration von Ministern oder Personen aus anderen Parteien. Drittens besteht ein immenser Mangel an Glaubwürdigkeit und Vertrauen gegenüber den Institutionen.

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