SPD zum Haushalt: »Die soziale Frage war eine leitende Frage«

Der SPD-Abgeordnete Sven Meyer über die Auswirkungen des gekürzten Haushalts für Berliner Beschäftigte

Der Regierende Bürgermeister und die Fraktionsspitzen bei der Verkündung der »Konsolidierungsliste« am Dienstag
Der Regierende Bürgermeister und die Fraktionsspitzen bei der Verkündung der »Konsolidierungsliste« am Dienstag

Sie schreiben in einer Pressemitteilung, dass Sie vom Senat trotz Kürzungshaushalt erwarten, dass die Tarifverträge eingehalten werden. Besteht denn Grund zur Sorge?

Wir haben den Posten »Pauschale Tarifvorsorge« in Höhe von 50 Millionen Euro gestrichen. Daraufhin hatten Beschäftigte und Gewerkschaften befürchtetet, dass nun laufende oder künftige Tarifabschlüsse nicht mehr finanziert werden. Das ist nicht der Fall, denn grundsätzlich obliegt die Refinanzierung von Tarifverträgen dem Einzelplan des jeweiligen Ressorts. Der gestrichene Posten war ein Sicherungstopf, der mit anderen Rücklagen aufgelöst wurde.

Sie lobbyieren für die Beschäftigten. Welches Urteil zum Haushalt stellen Sie dem Senat aus dieser Perspektive aus?

Wir standen vor der Mammutaufgabe, drei Milliarden – fast zehn Prozent des Haushalts – einzusparen. Das hat zu harten Einschnitten geführt, deren Folgen wir gar nicht absehen können. Dennoch bin ich wirklich überrascht, auch beeindruckt, was die Haushälter aufgestellt haben, gerade im Bereich Arbeit und Soziales. Jetzt müssen wir schauen, wie wir die Härten in der Jugendarbeit und der Kultur abfedern. Das Problem ist nicht der Senat, sondern die Schuldenbremse auf Bundesebene: Entweder die wird aufgeweicht oder Kommunen und ganze Länder werden totgespart.

Interview

Sven Meyer ist Sprecher für Arbeit und Ausbildung der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Mit ihm sprach Christian Lelek.

Der DGB kritisiert, dass das Haushaltsloch zu wenig durch neue Einnahmen gestopft wurde. Dahinter steht die Frage: Wo wird gespart und wem verlangt man Beiträge ab? Sehen Sie die soziale Frage ausreichend berücksichtigt?

Die soziale Frage war eine leitende Frage der Kürzungen. Wir haben nicht zehn Prozent pauschal gestrichen. Den sozialen Bereich haben wir überproportional geschützt, dass es eben zu weniger Schließungen kommt, zu weniger Abschmelzung im sozialen, im Jugendbereich, in Betreuung kommt. Hier hat man wirklich politisch gespart.

Viele freiberufliche Lehrkräfte an Musik- und Volkshochschulen, deren Beschäftigung ein Gericht als weitgehend illegal eingestuft hat, forderten 20 Millionen Euro mehr, damit sie fest angestellt werden können. Daraus wurde nichts. Ist der jetzige Weg über den Bund, der eine rechtliche Absicherung des Status quo bringen soll, alternativlos?

Tatsächlich muss ich sagen, ich warte immer noch auf konkrete Zahlen. Wir müssen seriös durchrechnen, wie viel eine Festanstellung von Lehrer*innen kostet und welchen Stundenumfang wir abdecken könnten. Ich bin da eher optimistisch, dass es prinzipiell möglich wäre. Grundsätzlich habe ich immer gesagt, dass das Herrenberg-Urteil auch eine Chance für Veränderung ist.

Es gibt nun einen Tarifvertrag Hauptstadtzulage. Insbesondere Beschäftigte von Betrieben, die den Tarifvertrag nur anwenden, und freie Träger haben auf Berücksichtigung gehofft. Worauf können die sich jetzt einstellen?

Ob der TV Hauptstadtzulage als Ergänzung des Tarifvertrags der Länder zu werten ist und somit für alle Anwender gilt, ist eine rechtliche Frage, zu der es verschiedene Rechtsauffassungen gibt. Das muss daher auch rechtlich geklärt werden. Zu den freien Trägern: Im Rahmen der finanziellen Lage wird es sehr schwer, noch zusätzlich sozusagen auf freiwilliger Basis die Hauptstadtzulage zu zahlen.

Schwarz-Rot hat die Rückführung von outgesourcten Landesbeschäftigten vereinbart. Wo ist das noch realistisch?

Dort, wo eine Tarifeinheit schon besteht – am Technikmuseum oder bei der Berlin-Transport, ist es keine Geldfrage. Hier könnte durch Synergieeffekte sogar gespart werden. Der Senat hingegen ist der Meinung, dass eine Reintegration weitere Kosten generiert. Eine Rückführung der Töchter von Charité und Vivantes würde hingegen, dadurch dass das Lohngefälle ausgeglichen werden muss, wohl tatsächlich Kosten verursachen. Aber auch da müssen wir halt noch mal wirklich in die Zahlen gehen, zumal auch hier Lohnangleichungen anstehen und wir im Wort stehen. Angesichts der finanziellen Lage sehe ich aber nicht, dass wir da demnächst viel Bewegung haben werden, wo hohe Kosten auf uns zukommen, auch wenn es eindeutig ein wichtiges Ziel der Koalition ist.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.