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Bahnhof-Bistro in Werder (Havel): Mischung aus retro und modern
Brandenburgs Bahnstationen sind zumeist eine Servicewüste – die in Werder (Havel) nicht
Es scheint die Sonne am Freitag gegen 9.30 Uhr am Bahnhof von Werder (Havel). Gleichwohl ist es empfindlich kalt. Im neu eröffneten Bistro empfängt die ersten Gäste jedoch eine wohlige Wärme. Das historische Bahnhofsgebäude wurde 1869 erbaut und in den Jahren 1889 und 1904 erweitert. Seit 2008 steht es unter Denkmalschutz. Zuletzt ist viel daran gemacht worden, aber noch nicht alles fertig. Das Dach muss noch saniert werden. Am Freitag sind Arbeiter auf Baugerüsten fleißig zugange.
Das Bistro ist ebenfalls nicht komplett fertig. »Garderoben fehlen noch. Hier fehlt noch ein Ölgemälde«, zeigt Juniorchef Tristan Haupt. Der 23-Jährige stieg mit 18 nach dem Abitur in die Gastronomie ein, schaffte sich einen Imbisswagen an und fuhr damit zu Festivals. Nun also das Bistro. Es gibt eine normale Toilette und eine behindertengerechte, wo am Freitag noch mal fix feucht gewischt wird, obwohl alles blitzblank sauber aussieht – wie auch der Rest des Bistros mit seinen 30 gepolsterten Sitzplätzen. Die mit braunem Leder bezogenen Stühle sind ausgesprochen bequem. Das Ambiente ist eine gelungene Mischung aus vintage, retro und modern. Einiges ist wirklich alt, anderes sieht so aus und passt stilistisch gut hinein.
Zwei Sorten Bier können frisch vom Fass gezapft werden. Es gibt Cola und Limonade, Wasser und Kaffee, Currywurst und Burger. Der Clou bei der Sache aber ist: Es existiert im hinteren Teil des Bistros sogar ein Wartebereich für Fahrgäste, die sich nur aufwärmen und nichts verzehren möchten.
Genau so etwas fehlt oft in Brandenburg. Die meisten Bahnhöfe sind zu Haltepunkten verkommen. Die historischen Empfangsgebäude stehen zwar oft noch, vergammeln aber oder sind verkauft und beispielsweise als Wohnhäuser hergerichtet worden. Vor zehn Jahren hatte Klaus-Dieter Zentgraf aus Wilhelmshorst sich die Mühe gemacht und die Situation mit wissenschaftlichen Methoden untersucht. Er inspizierte nach und nach fast alle Personenbahnhöfe Brandenburgs und brachte ein Buch dazu heraus. Sein damaliger Befund: Bei 59 der 342 Stationen in Brandenburg fehlte ein Bahnhofsgebäude und bei 240 Stationen war das Bahnhofsgebäude geschlossen. Die Fahrgäste mussten außen herum zu den Bahnsteigen laufen. Von den 37 noch geöffneten Bahnhöfen waren nach den Strichlisten von Zentgraf nur vier mit Personal versehen, das angesprochen werden konnte. »Servicewüste« nennt man so etwas.
»Es ist sehr schön geworden.«
Martin Grießner Regiobus-Chef
Doch in Werder (Havel) sieht es anders aus. Im April 2022 eröffnete der kommunale Verkehrsbetrieb Regiobus Potsdam-Mittelmark im Bahnhofsgebäude sein erstes Kundenzentrum im Landkreis. Nebenan gibt es jetzt das Bistro – und Regiobus-Geschäftsführer Martin Grießner schwärmt: »Es ist sehr schön geworden.« Das Bistro soll montags bis donnerstags bereits um sechs Uhr für die ersten Gäste geöffnet haben, die zur Arbeit nach Potsdam oder Berlin pendeln. Geschlossen werden soll frühestens um 18 Uhr, vielleicht auch eine Stunde später, am Freitag und Samstag sowieso erst 20 Uhr. Ob sich eine Sonntagsöffnung lohnt oder das Bistro dann geschlossen bleibt, muss sich noch herausstellen. Eine Frau schaut unterwegs zur Arbeit nach Berlin am Freitag durchs Fenster herein und kommentiert den Hinweis auf die Sitzplätze ohne Verzehr: »Einen Kaffee würde ich mir dann schon kaufen!«
Geleitet wird das Bistro von Tristan Haupt, der drei Mitarbeiter an Bord hat, darunter einen Koch – und auch der Vater und Seniorchef Jens Haupt will mithelfen. Fürs Geschäft wäre es vielleicht von Vorteil, wenn sich möglichst viele Züge verspäten und das für Kundschaft sorgt, bemerkt Staatssekretär Uwe Schüler (CDU) scherzhaft. Doch der Regionalexpress RE1 verkehre ja meistens pünktlich. Zweifelnden Blicken begegnet Schüler mit der Aussage, dass er die Probleme im Nahverkehr durchaus kenne. Er selbst pendelt fast täglich mit dieser Linie ins Potsdamer Infrastrukturministerium und kam auch zur Bistroeröffnung mit der Bahn. Dass sich Züge verspäten oder ganz ausfallen, ist in Brandenburg keine Seltenheit. Doch das sei auf anderen Strecken öfter der Fall als auf dieser hier, sagt Schüler.
Am Bahnhof Werder (Havel) tut sich etwas. Genau so hätte es das Infrastrukturministerium gern auch anderswo. Möge es in den kommenden fünf Jahren so weitergehen, wünscht sich Schüler. Rainer Genilke (CDU) ist nur noch vorübergehend der zuständige Minister. Möglicherweise schon in der kommenden Woche schließen SPD und BSW ihre Koalitionsverhandlungen ab und dann steht alsbald die Bildung der neuen Landesregierung ins Haus.
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Staatssekretär Schüler übergibt am Freitag unverhofft einen symbolischen Scheck über 1,2 Millionen Euro an seinen Parteifreund Christian Große, den ersten Beigeordneten der Stadt. Die Fördermittel für 362 Fahrradstellplätze am Bahnhof sind nun zugesagt – 180 Stellplätze frei zugänglich, die übrigen mit Drehtür extra gesichert. Letzteres soll einen Euro pro Tag kosten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sagt dazu: »Sie stellen morgens ihr Fahrrad am Bahnhof ab, fahren mit der Bahn weiter und finden es am Abend auch sicher wieder vor.« Als die FDP kürzlich aus der Bundesregierung ausstieg, verließ Wissing seine Partei und blieb Minister. Er erscheint nicht etwa in Werder (Havel), sondern sagt seinen Satz via Pressemitteilung auf.
Staatssekretär Schüler meint vor Ort, man könne künftig ein Bier im Bistro trinken – »zwei Bier«, ruft Jens Haupt dazwischen – und dann aufs Rad steigen. »Aber immer schön die Promillegrenze beachten!«, mahnt Schüler. CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann wurde vor ein paar Monaten mit zu viel Alkohol im Blut auf einem Elektroroller von der Polizei erwischt.
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