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Regierungsbildung in Thüringen: Simulierte Brombeer-Mehrheit
Wolfgang Hübner über die Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD in Erfurt
Die Regierungsbildung in Thüringen ist so gut wie beendet – nachdem Sahra Wagenknecht dem Koalitionsvertrag ihren persönlichen Segen gegeben hat, dürfte den weiteren Prozeduren nichts mehr im Wege stehen. Durch die auch von Wagenknecht verursachten Verzögerungen kann Bodo Ramelow Anfang Dezember noch sein zehnjähriges Jubiläum als Regierungschef begehen, bevor das neue Kabinett aus CDU, BSW und SPD ins Amt kommt. Dass Wagenknecht den Vertrag nun als großen BSW-Erfolg ausgibt, ist vor allem Taktik angesichts der Bundestagswahl; weitere innerparteiliche Auseinandersetzungen möchte sie sich vorerst nicht mehr leisten.
Wichtiger als viele wenig überraschende inhaltliche Punkte und Willensbekundungen ist die Frage, wie sich die neue Koalition eigentlich eine Mehrheit sichern will. Denn sie verfügt nur über 44 der 88 Landtagsmandate. Die aus dem künftigen Regierungsbündnis zu hörende Vermutung, irgendjemand aus der Opposition werde sicherlich immer mal fehlen, ist kein politisches Argument, sondern Kindergarten. Denn erstens ist das Hoffen auf den Zufall keine Basis für Regierungshandeln, und zweitens kann auch das Regierungslager mal aus irgendeinem Grund nicht vollständig sein. Und dann?
Hinter diesem beinahe infantilen Herangehen verbirgt sich das Problem der CDU: Sie will keine irgendwie geartete Vereinbarung mit der Linken – ob nun Tolerierungs- oder Fairnessabkommen. Das liegt einerseits am Unvereinbarkeitsbeschluss der Bundes-CDU gegenüber der Linkspartei, andererseits aber auch an der Idee des Thüringer CDU-Frontmanns Mario Voigt, sich irgendwie auf eigene Faust durchzuwursteln und eine Mehrheit zu simulieren. Die Linke, so die Spekulation, werde die neue Regierung schon unterstützen, damit die andere Oppositionspartei, die AfD, keinen Einfluss gewinnt.
Das ist Erpressung, und es ist dumm. Denn wenn CDU, BSW und SPD in Thüringen stabile Verhältnisse für fünf Jahre haben wollen, dann sollten sie mit der demokratischen Opposition reden und kooperieren, so wie es die rot-rot-grüne Minderheitsregierung in den letzten fünf Jahren mit der CDU getan hat. Alles andere wäre fahrlässig und würde nur der Höcke-AfD in die Hände spielen. Wie die jede Gelegenheit für ihre Zwecke ausnutzt, hat schon die Konstituierung des Erfurter Landtags gezeigt. Wer daraus nichts lernt, macht keine verantwortungsbewusste Politik.
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