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Rede des Alterspräsidenten: Gysis Mahnung
Wolfgang Hübner über die Eröffnung des neuen Bundestags
Noch während der Linke-Politiker Gregor Gysi am Dienstag mit seiner Rede als Alterspräsident die neue Wahlperiode des Bundestags eröffnete, ergingen sich Kommentatoren in den sozialen Medien in Stilkritik. Gysi hatte während seines gesamten Wahlkampfs die Erwartungen an diese Rede geschürt. Seine Ansprache an die 629 Parlamentskolleginnen und -kollegen war keine heiter-besinnliche Plauderstunde eines alten Haudegens, der schon viel erlebt hat, sondern eher eine von Besorgnis getragene Mahnung angesichts einer Weltentwicklung, die dazu allen Anlass liefert. Verbunden mit Vorschlägen, den Dialog zu wichtigen politischen Fragen zu beleben und damit den immensen gesellschaftlichen Fliehkräften etwas entgegenzusetzen.
Das mag sich zuweilen unerwartet spröde angehört haben, aber allein die von der AfD beantragte Debatte zur Geschäftsordnung hat gezeigt, dass der Ton in diesem Parlament – und darüber hinaus – von rechts außen weiter verschärft und vergiftet wird. Dem sollten alle, die sich als Demokraten verstehen, ungeachtet der politischen Differenzen widerstehen; nicht nur in schönen Worten, sondern auch mit dem Angebot, zu schwelenden Fragen das offene gesellschaftliche Gespräch zu führen.
Denn unbestritten ist: Der nun amtierende Bundestag steht vor einem Berg an Problemen – vom auch im Parlament sichtbaren Erstarken des Rechtsextremismus und der Gefährdung der Demokratie über soziale Verwerfungen und Defizite der deutschen Einheit bis hin zur sich zuspitzenden globalen Konfrontation. Das letzte Wort zu Kriegen und Kriegsgefahr können nicht Milliarden oder gar Billionen Euro für Aufrüstungspläne sein, zumal das die ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft zieht. Darüber hat der Alterspräsident Gysi gesprochen. Wem Unterhaltungsfaktor, Lockerheit und künstlerischer Ausdruck fehlten, der kann in den nächsten Tagen den Fernseher einschalten und sich die Eiskunstlauf-WM ansehen.
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