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Swapo muss in Namibia zittern
Bei den Präsidentschaftswahlen hat die Regierungspartei erstmals ernsthafte Konkurrenz
Es wird sich etwas ändern in Namibia. Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am heutigen Mittwoch bekommt das Drei-Millionen-Einwohner-Land im Südwesten Afrikas entweder mit der Kandidatin der Regierungspartei Swapo, Netumbo Nandi-Ndaitwah, erstmals eine Frau als Staatsoberhaupt – oder aber zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1990 einen Präsidenten, der nicht das Parteibuch der ehemaligen Befreiungsbewegung trägt. Weil verlässliche Hochrechnungen nicht existieren, gelten vor allem die Ergebnisse der vorherigen Präsidentschaftswahlen 2019 sowie der Kommunalwahlen 2020 als Gradmesser. Bei beiden hatte die Swapo massive Stimmverluste erlitten, im Landesdurchschnitt aber eine knappe absolute Mehrheit behauptet.
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Swapo ist auf dem absteigenden Ast
2019 war die Swapo von 87 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen 2014 auf nur noch 56 Prozent abgerutscht. Der seinerzeit im Amt bestätigte Staatschef Hage Geingob verstarb im Februar dieses Jahres. Interimspräsident wurde Geingobs Stellvertreter Nangolo Mbumba, der allerdings frühzeitig klarstellte, nicht kandidieren zu wollen. Nandi-Ndaitwah war zudem bereits vor Geingobs Tod, auf dem Swapo-Parteitag im Dezember 2023, zur Spitzenkandidatin für die jetzige Wahl bestimmt worden. Die 72-jährige Freiheitskampfveteranin versucht, den voranschreitenden Vertrauensverlust ihrer Organisation nun mit vollmundigen Versprechen aufzuhalten. Mehr als 250 000 neue Arbeitsplätze, so erklärte Nandi-Ndaitwah bei der Vorstellung des Wahlprogramms ihrer Partei Mitte September in der Hauptstadt Windhoek, wolle sie innerhalb der kommenden fünf Jahre schaffen und dafür 85,7 Milliarden Namibia-Dollar (4,5 Milliarden Euro) ausgeben. Woher das Geld kommen soll, blieb in dem Manifest jedoch unklar.
Offenkundig ist jedoch, weshalb die Swapo-Kandidatin eine Job-Offensive ankündigt. Ihre Partei, während des Befreiungskampfes noch Teil des sozialistischen Lagers und im Krieg gegen die südafrikanische Besatzungsmacht maßgeblich von Kuba, der Sowjetunion und der DDR unterstützt, hat Namibia in den vergangenen fast dreieinhalb Jahrzehnten mit einer im Kern wirtschaftsliberalen Politik regiert. Das Resultat: Das noch immer stark agrarisch geprägte Land weist mittlerweile die weltweit höchste Ungleichverteilung von Wohlstand auf – nur der ehemalige Apartheidstaat Südafrika hat ein noch steileres Arm-Reich-Gefälle. Die Arbeitslosenquote lag nach Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) für das Jahr 2023 bei 19,4 Prozent. Verlässlichere Zahlen sollte eine Volkszählung der namibischen Behörden liefern, die zwar auch stattfand, deren Ergebnisse die Regierung jedoch lediglich ohne die Beschäftigungszahlen veröffentlichte – was ihre Zensurvorwürfe einbrachte.
Jugendarbeitslosigkeit und Korruption sind die Hauptthemen
Besonders unter jungen Erwachsenen ist die Lage noch schlechter. Ein 2020 veröffentlichter Bericht der Nationalen Planungskommission Namibias weist die Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2018 mit 46,1 Prozent aus. Wenig überraschend konstatierte ein Regierungsbericht im Folgejahr 2021, dass 43 Prozent der Namibier in »multidimensionaler Armut« lebten. Spürbare Verbesserungen waren seitdem nicht zu verzeichnen. Weil jedoch ziemlich exakt die Hälfte der wahlberechtigten Bevölkerung unter 35 Jahren alt ist, gerät die Regierungspartei zunehmend unter Druck. Zumal in dieser Altersgruppe auch der Bonus als ehemalige Befreiungsbewegung weit weniger wirkt.
Zweites beherrschendes Thema im Wahlkampf ist der Kampf gegen die Korruption, die von 87 Prozent der Befragten einer Regierungserhebung 2020 als Hauptgrund für den Beschäftigungsmangel ausgemacht wurde. Auch damit ist Namibia im südlichen Afrika nicht allein. Schon in Südafrika und Botswana hatten die langjährigen Regierungsparteien in diesem Jahr ihre absoluten Mehrheiten eingebüßt, in Mosambik kam es nach Vorwürfen von Wahlfälschung zu schweren Protesten, die seitens der Staatsmacht gewaltsam unterdrückt wurden. Mehrere Menschen starben.
Zumindest letzteres Szenario ist im wesentlich stabileren Namibia unwahrscheinlich. Selbst eine erneute – knappe – absolute Mehrheit für die Swapo liegt dort noch im Bereich des Möglichen, zumal die Opposition zersplittert und keine der konkurrierenden Parteien landesweit ähnlich stark verankert ist. Stärkster Oppositionskandidat bei den vorherigen Präsidentschaftswahlen war dann mit 30 Prozent der Stimmen auch Panduleni Itula, ein ehemaliger Swapo-Politiker. Dieses Mal tritt er mit seiner neu gegründeten Partei Independent Patriots for Change an. Gelingt es ihm, Nandi-Ndaitwah unter 50 Prozent zu ziehen, käme es zu einer Stichwahl.
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