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Ministerpräsident Woidkes Mehrheit wackelt
Mit Sven Hornauf will mindestens ein BSW-Landtagsabgeordneter die Aufrüstung am Fliegerhorst Holzdorf nicht mittragen
Im günstigsten Fall wären sich SPD und BSW in ihren Koalitionsverhandlungen bereits am Montag einig geworden. Doch es war dann wahrscheinlich doch nicht die letzte Gesprächsrunde. »Es gibt noch Punkte, über die man noch reden muss«, sagt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). »Wir müssen uns die Zeit nehmen.«
Woidke kann sich derzeit nicht sicher sein, für seine Wiederwahl im Landtag die nötige Mehrheit zu bekommen. Denn der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf kündigte an, er werde Woidke nicht wählen, solange dieser am Ausbau des Luftwaffenstützpunkts Holzdorf festhalte. Das berichtete der Sender RBB.
Im Fliegerhorst Holzdorf sollen 47 moderne Militärhubschrauber des US-amerikanischen Boeing-Konzerns sowie das israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 stationiert werden. Das würde der Bund bezahlen, aber das Land Brandenburg will im Umfeld des Standorts 100 Millionen Euro in die Infrastruktur stecken. »Ich lehne jedes Landesgeld für diesen Stützpunkt ab«, zitiert der RBB den Landtagsabgeordneten Hornauf, der eine Vergangenheit in der Linken hat.
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Es gibt Hinweise, dass mindestens eine weitere Stimme aus der 14-köpfigen BSW-Fraktion an dieser Sache hängt. Von insgesamt 88 Landtagsabgeordneten gehören 32 zur SPD. Es lässt sich leicht ausrechnen: Spielen zwei BSW-Abgeordnete nicht mit, hat eine Koalition von SPD und BSW keine Mehrheit mehr.
Sechs BSW-Abgeordnete hatten in der vergangenen Woche mit einer parlamentarischen Anfrage herausfinden wollen, ob Arrow 3 nur zur Verteidigung oder auch für den Angriff eingesetzt werden kann. Nach Diskussionen mit der SPD wurde diese Anfrage zurückgezogen. Doch Hornauf stellte sie dann im selben Wortlaut allein.
Linke streute Sand ins Getriebe
Auslöser des Kuddelmuddels ist wahrscheinlich der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke). Dieser hatte am 4. November, als die Koalitionsverhandlungen starteten, auf einen Passus im Sondierungspapier hingewiesen, in dem sich SPD und BSW zur Bundeswehr und ihren Brandenburger Standorten bekennen. Görke interpretierte das mit Blick auf die Pläne für Holzdorf so, dass das BSW damit die Hintertür zur Aufrüstung öffne. Er wünschte sich, dass insbesondere seine in die Wagenknecht-Partei gewechselten ehemaligen Genossen das nicht zulassen und die 100 Millionen Euro nicht freigeben. Görke war es auch, der sagte, Arrow 3 diene nicht allein der Verteidigung, sondern könne auch im Angriff verwendet werden.
»Ich freue mich, dass meine Kritik bei einigen BSW-Abgeordneten im Landtag angekommen ist«, erklärt Görke nun. »Der Ausbau des Luftwaffenstützpunkts Holzdorf, in den fast zehn Prozent des gesamten Sondervermögens der Bundeswehr fließen, ist ein zentraler Ausdruck der Zeitenwende in Brandenburg«, merkt Görke an. Er erwarte, dass sich das BSW klar dagegen positioniert. »Sonst war der ganze Wahlkampf substanzloser Pseudopazifismus, der jetzt wie ein Kartenhaus zusammenfällt.«
Arrow 3 hat eine Reichweite von 2400 Kilometern. Die russische Hauptstadt Moskau liegt etwa 1900 Kilometer entfernt. Die US-Mittelstreckenraketen vom Typ Tomahawk, die ab 2026 in Deutschland stationiert werden sollen, fliegen 2500 Kilometer weit. Gegen diese Raketen stellt sich das Bündnis Sahra Wagenknecht – und es findet sich im Sondierungspapier auch die Formulierung, dass SPD und BSW deren Stationierung kritisch sehen. Was Holzdorf betrifft, sieht der BSW-Landesvorsitzende Robert Crumbach laut RBB »eigentlich keinen Diskussionsbedarf«.
CDU hat Angst um die Aufrüstung
Indes fordert am Dienstag CDU-Fraktionschef Jan Redmann, dem BSW auf keinen Fall das Finanzministerium zu überlassen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass Deutschlands Verteidigungsanstrengungen unterminiert würden. Denn dem Finanzministerium unterstehe der Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen und dieser müsste die Investitionen in Holzdorf umsetzen.
Sollte ein BSW-Politiker Finanzminister werden, könnte er die Bauvorhaben immer wieder verzögern und damit torpedieren, meint Redmann. »Das BSW darf keine Zuständigkeit bekommen für den Ausbau der Bundeswehrstandorte«, verlangt er. Der Ausbau des Fliegerhorsts Holzdorf wäre dann »nicht gesichert«. Die Folgen wären »dramatisch« und »nicht auszudenken«. Redmann spricht in diesem Zusammenhang von »Sand im Getriebe«. Dies wäre »möglicherweise im Interesse Russlands«.
Es wird gegenwärtig viel spekuliert, welche Partei welche Ministerposten erhält. Angeblich sollen das Finanz-, das Justiz- und das Bildungsministerium vom BSW verantwortet werden, wahlweise wird auch das Infrastrukturministerium genannt.
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