Bahn-Ausbau in Berlin: Über den Südring im Expresstempo

Bahnexperten entwickeln schnelles Berlin-Netz auf untergenutzten Strecken

Durch die Berliner Stadtmitte fahren regelmäßig Regionalexpresse. Das Netz könnte parallel zur südlichen Ringbahn ausgebaut werden.
Durch die Berliner Stadtmitte fahren regelmäßig Regionalexpresse. Das Netz könnte parallel zur südlichen Ringbahn ausgebaut werden.

Direkt von Spandau nach Schöneweide oder von Zehlendorf nach Hohenschönhausen in rund einer halben Stunde: Verbindungen innerhalb Berlins, die derzeit nicht unter einer Dreiviertelstunde zu machen sind, sollen dank der »E-Bahn« bequem, zuverlässig und ohne Umstieg machbar werden. Für diese »Express-Bahn«, so die Auflösung des Kürzels, sollen weder Dutzende Kilometer neuer Tunnel gegraben noch Magnetbahnen auf Stelzen gebaut werden. Stattdessen geht es darum, das seit 26 Jahren in der Region etablierte Regionalexpress-System mit neuen Linien im dichten Takt auch innerhalb der Stadt nutzbar zu machen.

»Wir haben einen ungehobenen Schatz in dieser Stadt, und dieser ungehobene Schatz ist der Südring«, sagt Jens Wieseke. Er ist der Kopf eines Quartetts, das mit seiner Vision »Berlin 2064« einen neuen Aufschlag in der Debatte um den Ausbau des Berliner Schienenverkehrs macht.

Neben Jens Wieseke, der bisher als Sprecher des Berliner Fahrgastverbands IGEB bekannt ist, gehören dazu Lukas Iffländer, Vize-Bundeschef des Fahrgastverbands Pro Bahn, Ronny Krüger, der sich bisher vor allem mit Verkehrspolitik in Treptow-Köpenick beschäftigt, sowie der 17-jährige Ben Hennig. Sein ausgearbeiteter Plan für eine Expressbuslinie X26 zwischen Schildow im brandenburgischen Umland und dem S-Bahnhof Tegel sorgte bereits für erhebliches Medienecho.

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Alle vier sprechen am Dienstagabend bei der Präsentation des Konzepts nicht für ihre Vereine, sondern als Privatpersonen, betont Wieseke. Er betont auch, dass es sich um keine CDU-Veranstaltung handelt, obwohl sie im Wahlkreisbüro des CDU-Abgeordnetenhausmitglieds Lucas Schaal im Nikolaiviertel in Mitte stattfindet.

Drei Linien E1, E2 und E3 haben die vier entwickelt. Sie alle sollen über die bisher kaum genutzten Gleise parallel zum südlichen S-Bahn-Ring verlaufen, also von Westkreuz über Südkreuz zum Ostkreuz. Diese Gleise müssten elektrifiziert und mit Bahnsteigen ausgestattet werden. Einzig auf dem Abschnitt zwischen Sonnenallee und Treptower Park müssten außerdem neue Gleise verlegt werden, der Platz dafür ist jedoch vorhanden.

»Wir haben einen ungehobenen Schatz in dieser Stadt, und dieser ungehobene Schatz ist der Südring.«

Jens Wieseke Bahnexperte

Die Linie E1 setzt auf die Planungen zur Reaktivierung der Potsdamer Stammbahn auf. Von Potsdam über Zehlendorf und Steglitz soll nach offiziellen Plänen ein Zweig beim Bahnhof Schöneberg auf den Südring Richtung Ostkreuz geführt werden, mit neuen Bahnsteigen am Südkreuz sowie einer Umsteigemöglichkeit zur U-Bahn – entweder in Tempelhof, an der Hermannstraße oder in Neukölln. Nach diesen Plänen soll die Strecke 2038 in Betrieb genommen werden, genau 200 Jahre nach der ursprünglichen Eröffnung der Stammbahn 1838. Der Beitrag von Wieseke und Co. ist die Idee, die Züge von Ostkreuz über Lichtenberg und Hohenschönhausen bis Birkenwerder weiterzuführen. Vom Nordosten bis Zehlendorf könnte ein Viertelstundentakt gefahren werden.

Der E2 soll von Spandau über neue Regionalbahnsteige am Westkreuz und eine neue Umsteigemöglichkeit im Südwesten, zum Beispiel am Heidelberger Platz zur U3 und damit einer Anbindung an die Freie Universität, in den Südosten nach Schöneweide, Grünau und weiter führen. Hier wäre ein Halbstundentakt möglich.

Ebenfalls alle 30 Minuten könnte die Linie E3 fahren, bei der es sich im Kern um die Verlängerung der derzeit am Ostkreuz endenden RB26 von Kostrzyn handelt. Auch sie würde über den Südring bis zum Westkreuz führen. Im gemeinsamen Abschnitt der Linien würde somit ein dichter Takt entstehen.

Diese Vision will sich in einem entscheidenden Punkt von anderen abheben, die in den letzten Jahren in der Stadt kursieren. »Wir wollen ein System haben, das wir nicht wie die größenwahnsinnigen Neubau-Projekte à la ›U0‹ gestalten wollen, sondern mit Dingen, die finanzierbar und schon in der Planung sind«, sagt Lukas Iffländer. Damit bezieht er sich auf die von der BVG im letzten Jahr entwickelte Vision »Expressmetropole Berlin« mit satten 170 Kilometern neuen U-Bahnstrecken inklusive der neuen Ringlinie »U0« durch die Außenbezirke. Eine Multimilliarden-Idee ohne große Realisierungsperspektive.

Zu möglichen Kosten und Fahrzeiten der Vision »Berlin 2064«, zu der auch einige Vorschläge für U-Bahn-Verlängerungen, aber keine neuen Linien gehören, machen die vier keine Angaben. Der Name der Vision soll einerseits schlicht auf den langen Vorlauf für die Realisierung neuer Infrastruktur verweisen. Andererseits würde sich Jens Wiesekes Geburt zum 100. Mal jähren. »So viel Eitelkeit muss sein«, sagt er.

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