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»Vaiana«: Immer noch keine Prinzessin
Die Fortsetzung des Disney-Animationsfilms »Vaiana 2« erzählt wieder von Abenteuern mit starken weiblichen Charakteren
»Nein, ich bin immer noch keine Prinzessin«, sagt die Titelheldin im Disney-Animationsfilm »Vaiana 2« zum Halbgott Maui, mit dem sie wieder eine ganze Reihe Abenteuer zu bestehen hat. Die Fortsetzung von »Vaiana« (2016) dürfte der actionreichste Animationsfilm sein, den Disney bisher produziert hat. Im Zentrum der Geschichte steht ein junges Mädchen, das auf einem Katamaran stehend über den Ozean rast, sich nichts gefallen lässt und keine Prinzessin ist.
Prinzessinnen sind einfach nicht mehr so angesagt im Disney-Universum. Zuletzt glänzte auch die proletarische Asha in »Wish« (2023), die erfolgreich gegen einen autoritären König kämpft. Und ohne Prinzessin kommt auch »Alles steht Kopf 2« (2024) aus. Der von Disney produzierte Pixar-Film wurde mit anderthalb Milliarden Dollar Umsatz innerhalb weniger Monate zum erfolgreichsten Animationsfilm aller Zeiten. Bei Disney klingelt gerade die Kasse, nachdem »Lightyear« (2022) und »Strange World« (2022) auch coronabedingt an den Kinokassen floppten.
Für »Vaiana 2«, der in den USA am Thanksgiving-Wochenende startet und hier in der Vorweihnachtszeit ins Kino lockt, sind die finanziellen Erwartungen hoch. Der märchenhafte Stoff über die Mythen pazifischer Insulaner (Pacific Islanders), die sonst im Filmbereich, wie eine Studie in den USA unlängst feststellte, stark unterrepräsentiert sind, ist so erfolgreich, dass Disney jetzt eine Realverfilmung plant.
Schon der erste Teil von »Vaiana«, der wie die Fortsetzung ohne Liebesgeschichte auskommt, gilt als feministisches Aushängeschild von Disney. Die Titelheldin ist eine selbstbewusste Macherin, und die Figur des männlichen Halbgottes Maui, der mit ihr zusammen kämpft und über Superkräfte verfügt, ist der untergeordnete Sidekick. Im neuen Abenteuer geht es auf großer Fahrt übers Meer, um etwas über die eigenen Vorfahren herauszufinden und sich die eigene Geschichte anzueignen, die durch den Fluch eines autoritären Gottes genauso wie die pazifische Gemeinschaft verschiedener Insulaner vergessen und verschüttet wurde.
Dazu wird Vaiana Anführerin einer kleinen Schar Inselbewohner, deren Zusammensetzung konservative Geschlechterrollen wunderbar über den Haufen wirft. Neben dem grunzenden Schwein und dem schielenden Huhn aus Teil 1 sowie einem alten, vor sich hin schimpfenden Mann, der nicht einmal schwimmen kann, ist eine weitere junge Frau mit einer Frisur Marke queerer Hipster mit von der Partie und fungiert als eine Art Tischler-Cheftechnikerin auf dem großen Katamaran, mit dem die Gruppe übers Meer ihrem Abenteuer entgegenjagt. Dazu kommt noch ein bullig-starker junger Mann, dessen Kompetenz darin besteht, sich mit der Geschichte der Insulaner auszukennen und sie in Form künstlerischer Malereien sichtbar zu machen.
Vaiana wird Anführerin einer kleinen Schar Inselbewohner, deren Zusammensetzung konservative Geschlechterrollen wunderbar über den Haufen wirft.
Angereichert wird das wie immer mit jeder Menge Musik, was dem Disney-Konzern zusätzliche Mehreinnahmen garantiert und dazu führt, dass der Soundtrack der Animationsblockbuster fortwährend hiesige Kinderzimmer beschallt. Mit musikalischer Untermalung muss die Truppe in einem bildgewaltigen und geradezu atemberaubend inszenierten Abenteuer mit Pfeile schießenden Kokosnuss-Korsaren, einer Fledermaus-Halbgöttin und einem riesigen Meeresungeheuer zurande kommen, bis sie schließlich in einem gewaltigen Sturm die geheimnisvolle versunkene Insel finden. Die wird nach hartem Kampf gegen den Fluch wieder zugänglich gemacht und entwickelt sich zum Knotenpunkt, um sich mit anderen Insulanern in einem diversen Kollektiv zu vereinen und wieder auf die eigene Geschichte zugreifen zu können, jenseits der per Fluch verhängten Entfremdung und Vereinsamung.
Natürlich lässt sich das als Allegorie auf die oft zitierte Spaltung der Gesellschaft durch die rechte Mobilmachung und die Hasspredigten eines Donald Trump verstehen. Diese Interpretation mag sich zwar den jungen Zuschauern nicht direkt vermitteln. Aber klar wird, dass es sich lohnt, für seine Freunde einzustehen und gegen autoritäre Zwänge zu kämpfen, die unausweichlich scheinen.
Aber auch wenn sich Disneys Produktionen eindeutig gegen jede Form von Diskriminierung wenden und für Kinder und Jugendliche ein progressives und diverses Narrativ erzeugen, knickte der Konzern unlängst gegen einen rechten Shitstorm ein. Die von Disney produzierte und sehenswerte Star-Wars-Serie »Acolyte« (2024) wurde trotz ursprünglich anderer Planung nach nur einer Staffel abgesetzt, nachdem die Macher von einem Review-Bombing rechter Trolle heimgesucht worden waren. Die Serie hatte nicht nur einen äußerst diversen Cast, sondern konterkarierte mit einer Erzählung über ein queeres Hexen-Matriarchat, das ausgiebig und ganz ohne politischen Hintersinn die sonst nur zölibatär lebenden Jedi-Rittern vorbehaltene »Macht« nutzte, einige Grundregeln des konservativen Star-Wars-Universums, was rechte Incels auf den Plan rief.
Ob sich mit dem Machtwechsel in den USA auch Disneys politische Performance perspektivisch ändern wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin segelt Vaiana mit ihren Freunden neuen Abenteuern entgegen.
»Vaiana 2«, USA 2024. Regie: David Derrick Jr., Jason Hand, Dana Ledoux Miller. Buch: David Derrick Jr. 100 Min. Jetzt im Kino.
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