Frankreich will keine Cannabis-Legalisierung

Polizei und Justiz gehen scharf gegen Drogenhandel vor

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Festnahme in Marseille. Die Hafenstadt am Mittelmeer ist der Hot Spot für Banden, die mit illegalen Drogen ihr Geld verdienen.
Festnahme in Marseille. Die Hafenstadt am Mittelmeer ist der Hot Spot für Banden, die mit illegalen Drogen ihr Geld verdienen.

Gegen den Drogenhandel will die Regierung künftig mit denselben scharfen Methoden vorgehen wie gegen den Terrorismus, erklärten Innenminister Bruno Retailleau und Justizminister Didier Migaud vor einer Woche in Marseille. Der Ort war nicht zufällig gewählt, denn die Hafenstadt am Mittelmeer ist die französische Drehscheibe dieses kriminellen Gewerbes, das fünf Millionen Konsumenten zählt und dessen Jahresumsatz auf 3,5 bis 6 Milliarden Euro geschätzt wird. Damit nimmt Frankreich in Europa den Spitzenplatz ein.

Die Regierung habe dem Drogenhandel einen unerbittlichen Kampf angesagt, versicherten die Minister, und sie wolle ihn zu einem »nationalen Schwerpunktthema« machen, hinter dem das ganze Land stehen soll und für den alle Ressourcen des Staates mobilisiert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird Anfang kommenden Jahres dem Parlament zugeleitet.

Regierung will Polizei stärken

Justizminister Migaud kündigte die Schaffung einer zentralen, für ganz Frankreich zuständigen Staatsanwaltschaft speziell für Drogenkriminalität an. Dafür wird die bisher in Paris bestehende Arbeitsgruppe personell um 40 Prozent aufgestockt. Außerdem werden auf Drogendelikte spezialisierte Gerichtshöfe in allen Regionen des Landes eingerichtet. Innenminister Retailleau sagte, dass das Personal der Kriminalpolizei verstärkt werden, insbesondere ihrer Drogendezernate. Beide Minister versicherten, man werde »den Drogenhändlern an die Brieftasche gehen« und ihre Bankkonten, Immobilien, Luxusautos und andere Wertgegenstände beschlagnahmen, wenn deren legale Herkunft nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Diese Werte würden versteigert und das Geld käme dem Kampf gegen die Drogenkriminalität zugute. Dazu müssen die Bosse der Drogenbanden ihre Villa oder Luxuswohnung räumen, aber auch die weniger vermögenden Bandenmitglieder sollen nicht ungeschoren bleiben. Sie müssten demnach sogar damit rechnen, dass ihren Familien etwaige Sozialhilfe entzogen wird und sie aus einer Sozialwohnung rausgeschmissen werden.

Kontakt Drogenhändlern führt zur Suspendierung

Die Minister kündigten auch an, dass künftig jeder Polizist oder Beamte, der im Verdacht steht, sich mit Drogenhändlern eingelassen zu haben und von diesen bestochen zu werden, unverzüglich und bis zum Beweis der Unschuld oder bis zu einem Prozess vom Dienst suspendiert werden.

Dabei sollen auch neue Regeln für Ermittler und deren Informanten aus dem Milieu in Kraft treten, um ihre Zusammenarbeit auf eine klare Rechtsbasis zu stellen. Für Kriminelle, die Abstand von ihrer Vergangenheit nehmen und mit der Polizei zusammenzuarbeiten bereit sind, die also beim Unschädlichmachen der Drahtzieher helfen und dafür persönliche Risiken eingehen, soll ein spezieller juristischer Status geschaffen werden, um ihnen eine neue Identität zu geben und bei Bedarf Polizeischutz zu gewähren.

Drogenhändler weichen auf neue Städte aus

Drogenhandel und die damit verbundene Gewaltkriminalität nehmen ständig zu, ändern aber oft ihre Formen. So diversifizieren sich die Banden und befassen sich auch mit Waffenhandel, Prostitution oder der Entführung von vermögenden oder prominenten Personen und der Erpressung von Lösegeld.

Da die Banden in Großstädten wie Marseille immer mehr von der Polizei überwacht und unter Druck gesetzt werden, weichen sie aus und lassen sich in anderen Großstädten nieder, aber auch in Kleinstädten, die bisher von Drogen weitgehend verschont waren. Häufig kommt es zu blutig ausgetragenen Kämpfen verschiedener Banden um Stadtviertel und deren potenzielle Drogenmärkte. Solche Schießereien forderten 2023 in Marseille 47 Tote und seit Jahresanfang weitere 17; auch in Grenoble gab es seit Jahresanfang bereits rund 50 Feuergefechte, bei denen sechs Menschen ums Leben kamen.

Großen Ankündigungen folgten keine Taten

Insgesamt verloren im vergangenen Jahr landesweit 85 Menschen im Zusammenhang mit Drogenhandel das Leben. Besonders spektakulär waren zwei Auftragsmorde an gegnerischen Bandenmitgliedern, die per Telefon aus dem Gefängnis heraus durch Bandenbosse befohlen und durch minderjährige Schützen ausgeführt wurden. Daher soll das Gesetz über den Kampf gegen den Drogenhandel auch vorsehen, die Altersgrenze für die volle Schuldfähigkeit von Drogentätern von 18 auf 16 Jahre abzusenken und für minderjährige Täter eine Unterbringung in geschlossenen Anstalten vorzusehen.

Ein verstärkter Kampf gegen Drogenhandel wurde in der Vergangenheit immer wieder angekündigt oder sogar gestartet, doch stets verlief er sich dann im Sande. So war es 2008 mit dem rechten Innenminister Nicolas Sarkozy, aber wenige Jahre später auch mit seinem sozialistischen Amtsnachfolger Manuel Valls oder 2023 mit Macrons Innenminister Gérald Darmanin. Präsident Emmanuel Macron selbst ergriff vor zwei Jahren die Initiative für Polizeigroßeinsätze in Marseille und verfolgte persönlich eine davon vor Ort. Bei diesen »Place net« (Reiner Platz) genannten Kampagnen wurden für Tage einzelne Stadtviertel »drogenfrei« gehalten, aber sobald die Einsatzkommandos abgezogen waren, machte sich wieder der gewohnte Drogenhandel breit.

Frankreich will Cannabis nicht legalisieren

Kritiker nennen Macrons Bilanz im Kampf gegen den Drogenhandel »spärlich«, aber immerhin ist er auf sein im Präsidentschaftswahlkampf 2017 abgegebenes Versprechen einer Legalisierung von Cannabis nie zurückgekommen. Diesen Schritt, den andere Länder in Europa gegangen sind, wird Frankreich nicht vollziehen, haben der aus der rechten Partei der Republikaner in die Koalitionsregierung gekommene Innenminister Retailleau und der ehemalige Sozialist und jetzige Justizminister Migaud versichert. Gegen die Drogenhändler werde es einen »langen Kampf ohne Pardon« geben, versicherte der Innenminister.

Aber auch die Drogenkonsumenten werden zur Verantwortung gezogen, sagte der Justizminister, »denn ohne sie gäbe es keinen Drogenhandel und keine damit verbundene Bandenkriminalität«. Gezielt an sie werden sich Aufklärungskampagnen und medizinische Hilfsangebote wenden, auf die nach einer gewissen »Schonfrist« gestaffelt die Verfolgung und Bestrafung – zunächst mit Geldstrafen – folgen wird.

Da die Banden in Großstädten wie Marseille immer mehr von der Polizei unter Druck gesetzt werden, weichen sie in andere Großstädte, aber auch in Kleinstädte aus, die bisher von Drogen weitgehend verschont waren.

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