Polizei soll weitgehend davonkommen

Staatsanwaltschaft will nur Einsatzleiter zum Tod von Mouhamed Dramé verurteilt sehen

Am 12. Dezember will der Vorsitzende Richter im Dortmunder Prozess gegen fünf Beamt*innen das Urteil sprechen.
Am 12. Dezember will der Vorsitzende Richter im Dortmunder Prozess gegen fünf Beamt*innen das Urteil sprechen.

Wegen der Tötung von Mouhamed Dramé in Dortmund fordert die Justiz für den damaligen Einsatzleiter Thorsten H. unter anderem wegen fahrlässiger Tötung eine für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe von zehn Monaten. Außerdem soll H. 5000 Euro an eine soziale Einrichtung zahlen. Das machte die Staatsanwaltschaft am Montag vor dem Dortmunder Landgericht in ihrem zweistündigen Schlussplädoyer deutlich. Die anderen Angeklagten sollen demnach straffrei ausgehen, da sie bei der Tat im August 2022 irrtümlich eine Notwehrsituation angenommen hätten.

Im Prozess um den Tod des 16-jährigen senegalesischen Flüchtlings stehen fünf Beamt*innen vor Gericht: Der Polizist, der Dramé mit einer Maschinenpistole erschoss, ein weiterer und zwei Polizistinnen die Taser und Pfefferspray eingesetzt haben und der Dienstgruppenführer, der sie dazu angestiftet haben soll.

Dramé befand sich vor seinem Tod in einer psychischen Ausnahmesituation mit einem Messer in der Hand in einer Nische auf dem Hof einer kirchlichen Jugendeinrichtung. Dort hat ihn die Polizei, die ein Pfleger wegen offenbar suizidaler Absichten Dramés gerufen hatte, eingekesselt. Nachdem Dramé getasert und gepfeffert wurde, sprang er in Richtung der Beamt*innen auf.

Zur Begründung der vier geforderten Freisprüche erklärten die Staatsanwält*innen Carsten Dombert und Gülkiz Yazir, die Beamt*innen hätten beim Einsatz von Taser und Maschinenpistole lediglich Anordnungen ihres Vorgesetzten mit dem Ziel der Eigensicherung befolgt. Nur der Einsatz von Pfefferspray sei von dem Gruppenführer direkt gegen Dramé befohlen worden. Die ausführende Polizistin hätte zwar widersprechen können, habe die Situation aber nur schwer selbst einschätzen können.

Dass der Einsatzleiter H. nicht davonkommen soll, begründet die Staatsanwaltschaft damit, dass dieser durch die Anordnung des als unrechtmäßig bewerteten Einsatzes des Pfeffersprays den fatalen Lauf der Dinge erst in Gang gesetzt habe. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Verleitung einer untergebenen Person zur gefährlichen Körperverletzung im Amt.

Am Montagmorgen waren noch zwei letzte Zeugen geladen. Ein Polizeihochschullehrer aus Köln sollte erklären, wie Beamt*innen die Auswirkungen von Pfefferspray auf Menschen in psychischen Ausnahmesituationen erklärt werden. Eine Beurteilung dazu hänge aber vom Einzelfall ab, so der Zeuge.

Gehört wurde außerdem ein Französisch-Übersetzer aus der psychiatrischen Klinik, in der sich Dramé am Tag vor seinem Tod wegen suizidaler Absichten vorgestellt hatte. Er sagte aus, dass der Jugendliche auf ihn ruhig und traurig gewirkt habe.

Am Mittwoch plädieren die Angeklagten sowie zwei Brüder von Dramé als Nebenkläger. Am Donnerstag kommender Woche will der Vorsitzende Richter Thomas Kelm dann das Urteil verkünden. In seinem Plädoyer hat der Oberstaatsanwalt Dombert am Montag behauptet, der Prozess sei »von links und rechts« instrumentalisiert worden.

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