Auf Augenhöhe mit der Tierwelt

Mit einer einzigartigen Tierwelt ohne Scheu vor dem Menschen verzücken die Galápagos-Inseln Besucher aus aller Welt.

  • Michael Juhran
  • Lesedauer: 6 Min.
Eine Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) in der Tortuga-Bucht vor der Santa-Cruz-Insel.
Eine Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) in der Tortuga-Bucht vor der Santa-Cruz-Insel.

Es ist wie in einer anderen Welt: Neugierig beäugt ein Seelöwe die gerade im Hafen von Puerto Ayora angekommenen Reisenden, die vom Bus in ein Zodiac wechseln, um ihr im Hafenbecken liegendes Schiff zu erreichen, mit dem es in den folgenden zwölf Tagen durch den Inselarchipel geht. Gelassen schaut er dem Prozedere von seinem Sonnenplatz neben einer Parkbank auf dem Pier zu. Keinerlei Scheu ist in seinen großen dunklen Augen zu erkennen, auch wenn ihm die Zweibeiner mit ihren Kameras zuweilen sehr nah kommen. Willkommen in einer Welt, in der Mensch und Tier mit gegenseitigem Respekt zusammenleben!

Ähnlich entspannt verhalten sich auch die bei einer ersten Exkursion ins Hochland der Insel Santa Cruz nahezu allerorts anzutreffenden Riesenschildkröten, die gemächlich grasend über die mit sattem Grün bedeckte Landschaft ziehen oder ein erfrischendes Bad in einem der kleinen Teiche nehmen. Lediglich einige ältere Exemplare, die bis zu 160 Jahre alt werden können, ziehen bei zu engem Kontakt sicherheitshalber ihren Kopf in den riesigen schützenden Panzer zurück. Vielleicht erinnern sie sich an die grausame Zeit, als ihre Verwandten zu Hunderttausenden als Frischfleischlieferanten verschleppt und abgeschlachtet wurden, zuerst von Piraten und Walfängern, später von Siedlern. »Selbst der 26-jährige Darwin schwärmte von ihrem wohlschmeckenden Fleisch, als er 1835 den Archipel für fünf Wochen während seiner Weltumseglung mit der «Beagle» besuchte«, bemerkt Naturguide Jaime Navas beim Durchqueren des Habitats rund um die Manzanillo Ranch, in dem jetzt wieder 6000 der von den Einheimischen respektvoll als Galápagos-Elefanten bezeichneten Reptilien leben.

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Dabei waren gerade sie es, die den Forscher neben den Finken und Spottdrosseln dazu inspirierten, seine Evolutionstheorie zu entwickeln. Als ihm der Vizegouverneur der Inselgruppe versicherte, er könne jede Riesenschildkröte ihrem Aussehen nach einer bestimmten Insel zuordnen, wurde Darwin nachdenklich. Später schrieb er: »Das mit Abstand bemerkenswerteste Merkmal in der Naturgeschichte dieses Archipels ist, dass die verschiedenen Inseln zu einem beträchtlichen Teil von unterschiedlichen Lebewesen bewohnt werden.«

Als Besucher ist man noch heute überrascht, wie sehr sich die bis zu 300 Kilo schweren Riesen in den feuchten Hochlagen von denen auf trockenen Kakteeninseln unterscheiden. Während sich erstere vorwiegend von Gras ernähren, benötigen die Sattelschildkröten eine Wölbung im vorderen Schildpanzer und einen langen Hals, um an die Kakteenblätter zu gelangen. Insgesamt befinden sich 15 unterschiedliche endemische Arten auf den Inseln, deren Panzer sich abhängig von der Vegetation von einer Kuppelform bis zur Sattelform entwickelt haben. Sehr anschaulich wird dies bei einem Besuch der Aufzuchtanlage in der Charles-Darwin-Station in Puerto Ayora.

Wie urzeitliche Minidrachen

Während Darwin zuweilen spaßeshalber die größten lebenden Schildkröten unserer Erde als Reittiere benutzte, hatte er für die eigentlich faszinierendsten Bewohner des Archipels nur eine verachtende Beurteilung parat. Er sah in den weltweit einzigen Meeresleguanen »abscheulich aussehende Kreaturen«, die überdies auch noch »dumm und plump« seien.

Ihre Millionen Jahre lange Evolution vom Landleguan in Mittelamerika, der wohl auf Treibholzinseln Galápagos erreichte, bis zur schwarzen Meerechse ist zweifellos eine der erstaunlichsten Evolutionsphänomene in der Tierwelt. Da sie bei ihrer Ankunft auf den mit Lavaschlacke und Asche bedeckten Vulkaninseln kaum essbare Vegetation vorfanden, mussten sie bis zu einer Stunde lang schwimmen und bis zu 20 Meter tief tauchen lernen.

Auch schärfere Zähne waren notwendig, um im Meer die Algen vom felsigen Untergrund abknabbern zu können und ihre Krallen wuchsen, um sich in der Brandung festklammern zu können. Gleichzeitig ging ihre Hautfarbe ins Schwarze über, um den Körper nach den Tauchgängen in der Sonne schnell wieder aufzuwärmen. Das im Meer aufgenommene Salz schnaufen sie einfach durch Drüsen an der Nase wieder aus. Abhängig von der Fülle und Art der Algen trifft man auf den Inseln große (Fernandina und Isabela) und kleine (Genovesa), gänzlich schwarze und rotgefleckte Meerechsen an.

Auch die etwas freundlicher aussehenden gelbbraunen Landleguane unterscheiden sich in Körperform und Farbe von Insel zu Insel. Erst vor wenigen Jahren entdeckte man am Wolf-Vulkan auf Isabela eine rosagefärbte Spezies, auf Plaza fand man erst kürzlich zehn Exemplare von Kreuzungen zwischen Land- und Meerechsen. Auf den Inseln Santa Fé und Plaza Sur nahe Santa Cruz klettern einige Landleguane sogar auf Bäume und Sträucher. Hier mussten sich selbst die Kakteen anpassen. Meist kleinwüchsig, erreichen sie auf Plaza Baumgröße, um sich vor den blatt- und fruchtfressenden Echsen zu schützen.

Ein Paradies mit wenigen Feinden

Für Vogelfreunde ist die Inselwelt mit 150 Arten ein wahres Paradies. Aus den einst von der 8000 Kilometer entfernten Antarktis mit dem Humboldtstrom angereisten Pinguinen entwickelte sich eine kleine Art, die als weltweit einzige am Äquator lebt und auf Fernandina und Bartolomé zu beobachten ist. Auf der vier Millionen Jahre alten und menschenleeren Insel Española haben Scharen von Galápagos-Albatrossen ihre Nistplätze eingerichtet und hegen und pflegen ihren Nachwuchs. Bis zu 12 000 Brutpaare konnten Ornithologen in der schwarzen Vulkanschlackelandschaft ausmachen. Mit zweieinhalb Metern Flügelspanne sind sie wahre Giganten der Lüfte und können bei einem Flug bis zu 15 000 Kilometer zurücklegen, zählt Jaime zwei der fürs Guinessbuch reifen Rekorde auf. Schaut man ihnen zu, wie sie sich elegant von den Klippen und Sandstränden aus in die Luft erheben und nahezu ohne Flügelschlag dahingleiten, kann man fast neidisch werden.

Ähnliche Flugexperten sind die stets im Luftsog des Schiffes präsenten Fregattvögel, die ihre Zeit hauptsächlich schwebend verbringen. Äußerst geschäftig geht es in der Balz- und Brutzeit zu, wenn die Fregatt-Männchen versuchen, sich im Buhlen um Partnerinnen mit ihren aufgeblasenen knallroten Kehlsäcken gegenseitig zu übertrumpfen. Aber auch die auf Rabida in einem Brackwassersee stolzierenden Flamingos sind eine Augenweide. Noch fotogener geben sich die Rot- und Blaufuß- sowie die Nazcatölpel beim Posieren vor der Kamera, und Pelikane warten als Models auf dem Fischmarkt darauf, dass man ihnen die Überreste des Fangs zuwirft.

Galápagos – Auf Augenhöhe mit der Tierwelt

Tauchen ist auf den Inseln ein Vergnügen: Nicht selten überraschen Seelöwen die Schwimmer, schießen wie Torpedos an ihnen vorbei und ihr Nachwuchs nähert sich neugierig bis an die Tauchermaske, um dann gewandt abzutauchen. Dabei ziehen immer wieder Haie, Rochen und Meeresschildkröten oder bunte Papagei-, Doktor-, Falter- und Engelfische vorbei, bis man plötzlich selbst von einem Schwarm von Gelbschwanz-Doktorfischen eingehüllt ist oder über einer riesigen Wolke von endemischen Grunzerfischen (Salema) schwebt.

»So muss es im Paradies ausgesehen haben, bevor Eva den Adam verführte«, befindet ein begeisterter Tourist. Und Jaime fügt hinzu: »Wer diesen Garten Eden selbst erlebt hat, denkt unweigerlich über sein eigenes Verhältnis zur Tierwelt und zum Artenschutz nach.«

Tipps
  • Einreise: Deutsche Staatsbürger können bis zu 90 Tage visafrei in Ecuador einreisen. Bei Abflug nach Galápagos sind 20 US-Dollar für eine Transit Control Card zu entrichten, zusätzlich wird eine Nationalparkgebühr in Höhe von 100 US-Dollar in bar fällig. Der US-Dollar ist die offizielle Währung im Land.
  • Anreise: Zum Beispiel mit KLM via Amsterdam nach Quito, weiter mit LATAM oder Avianca auf die Inseln Baltra oder San Cristóbal. Vom Festland Ecuadors kann man nur per Flug nach
    Galápagos gelangen.
  • Weitere Informationen: : www.galapagos.org, https://ecuador.travel/de/
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