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Berlin: Bauturbo ohne Notbremse

Abgeordnetenhaus beschließt Schneller-Bauen-Gesetz

Jetzt rollt der Betonmischer: Das Abgeordnetenhaus hat das Schneller-Bauen-Gesetz beschlossen.
Jetzt rollt der Betonmischer: Das Abgeordnetenhaus hat das Schneller-Bauen-Gesetz beschlossen.

Der schwarz-rote Senat kann sein erstes größeres Gesetzespaket durchbringen: Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beschloss das Abgeordnetenhaus am Donnerstag das Schneller-Bauen-Gesetz. Insgesamt 120 Maßnahmen sind in dem Paket enthalten – allein zehn Landesgesetze werden geändert. Im Kern stehe das Vorhaben dafür, Baugenehmigungsprozesse »zu beschleunigen und einfacher und effektiver zu machen«, sagte Bausenator Christian Gaebler vor dem Plenum des Abgeordnetenhauses. »Wir reden nicht nur über bezahlbaren Wohnraum, sondern handeln auch.«

Zwischen 2011 und 2022 seien mehr als 450 000 Menschen nach Berlin gezogen, so Gaebler. Das entspreche der Größe von Zürich. »Damit steigt auch der Bedarf an Wohnraum«, sagte Gaebler. Daher wolle man bürokratische Hürden abbauen, um den Wohnungsbau zu erleichtern und zu beschleunigen. Dies sei der »größte Baustein für erfolgreichen Wohnungsneubau«.

Zu den zentralen Vorhaben gehört, dass der Senat künftig Bauvorhaben, mit denen mehr als 50 Wohnungen geschaffen werden sollen, aus der Verantwortung der Bezirke nehmen und selbst genehmigen kann. So soll verhindert werden, dass die bezirklichen Bauämter von größeren Vorhaben überfordert werden. Eine Rolle wird aber wohl auch gespielt haben, dass es auf diesem Weg künftig möglich sein wird, Bauvorhaben auch gegen den Willen des Bezirks durchzusetzen. Die Marke von 50 Wohnungen habe man gewählt, weil ab dieser Grenze ein Teil der Wohnungen als Sozialwohnungen vermietet werden muss. »Das ist ein gesamtstädtisches Anliegen, weil wir so dafür sorgen, dass Berliner Wohnungen bekommen«, sagte Gaebler.

Bereits jetzt werden in manchen Bezirken sogenannte Bauauftaktkonferenzen abgehalten. Dabei sollen Bauherren, die zuständigen Behörden und andere Verfahrensbeteiligte zusammenkommen, um früh im Prozess mögliche Hindernisse für den Bau zu identifizieren. Bei Arbeiten an denkmalgeschützten Gebäuden könne auf diesem Weg früh geklärt werden, welche Arbeiten möglich seien, führte Gaebler als Beispiel an. Diese Bauauftaktkonferenzen sollen nun in allen Bezirken Pflicht werden. »Da waren sich alle einig, auch die Naturschutzverbände«, sagte Gaebler. Aber auch für die Bauherren seien die Konferenzen vorteilshaft: »Für den Bauherren ist es wichtig, nach drei Monaten zu wissen, was er kann und was nicht, und nicht nach drei Jahren.«

Daneben werden mit dem Schneller-Bauen-Gesetz zahlreiche Regelungen vor allem in den Bereichen Denkmal- und Naturschutz entweder berlinweit vereinheitlicht oder gleich ganz gestrichen. »Es ist nicht ersichtlich, warum Zauneidechsen in einem Bezirk sechs Quadratmeter Lebensfläche brauchen und in einem anderen 20 Quadratmeter«, so Gaebler.

»Das ist eine politische Kampfansage der Baufilz-Koalition.«

Katalin Gennburg (Linke) baupolitische Sprecherin

Die demokratische Opposition lehnte das Vorhaben geschlossen ab. Das Schneller-Bauen-Gesetz sei eine »politische Kampfansage der Baufilz-Koalition«, sagte Katalin Gennburg, die baupolitische Sprecherin der Linksfraktion. »Investoreninteressen first, Demokratie second« sei der Leitsatz des Schneller-Bauen-Gesetzes. Mit dem Gesetzespaket entmachte der Senat die Bezirke. »Es wird zu Chaos und Personalengpässen führen«, warnte Gennburg.

Scharf kritisierte die Linke-Politikerin den Abbau von Natur- und Artenschutzbestimmungen. »Sie legen keine Zahlen vor, warum sie hier einschränken wollen«, so Gennburg. Eine eigene Erhebung der Senatsbauverwaltung habe gezeigt, dass nur sechs Prozent der Baugenehmigungsverfahren durch Naturschutzbedenken gebremst wurden. »Sie agieren mit Unwahrheiten und unsoliden Zahlen«, sagte Gennburg.

Ginge es nach der Linken, ginge der Senat mehr gegen Leerstand vor. »Die Leerstandsquote hat sich in den letzten Jahren verdoppelt«, sagte Gennburg. Daran ändere das Schneller-Bauen-Gesetz nichts. Im Gegenteil: »Es wird nur noch mehr Bauruinen geben«, prophezeite die Linke-Abgeordnete. Für Neubau könne der Staat auch selbst sorgen und müsse sich nicht auf private Investoren verlassen. Eine »Bauhütte«, in der die verschiedenen landeseigenen Wohnungsgesellschaften ihre Planungsabteilungen bündeln, könne kommunale Bauprojekte beschleunigen.

»Natur- und Artenschutz werden hintangestellt«, kritisierte auch Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. Mit den Plänen gefährde der Senat das Ziel, bis 2030 eine Netto-Nullversiegelung zu erreichen – also keine neuen Flächen mehr zu versiegeln, ohne an anderer Stelle nicht auch zu entsiegeln. Statt einfach nur »mehr« solle vor allem »höher« gebaut und angemessene Freiflächen gelassen werden.

Statt Regelungen abzubauen, könne man die Verfahren auch auf einem anderen Weg beschleunigen. »Wir müssen den Blick auf Digitalisierung werfen«, sagte Otto. Zurzeit liefen viele Vorgänge bei Baugenehmigungen immer noch ausschließlich über Papieranträge. »Da ist nichts digital, da hinken wir meilenweit hinterher.« Das werde sich spätestens dann rächen, wenn sich die Personalnot bei den Behörden wie prognostiziert durch pensionsbedingte Abgänge verschärfen sollte. Die Grünen wollen eine Verfassungsbeschwerde prüfen.

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