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Thüringen: BSW stimmt Regierungsbeteiligung zu
Landesparteitag der Wagenknecht-Partei: nur wenig Kritik am Koalitionsvertrag mit CDU und SPD
Obwohl es in den vergangenen Wochen innerhalb des Thüringer BSW viele sehr kritische Stimmen zur Bildung einer Brombeer-Koalition gegeben hatte, will die junge Partei ein Bündnis mit CDU und SPD eingehen. Auf einer Mitgliederversammlung in Ilmenau votierte am Samstag eine große Mehrheit der Anwesenden für die Annahme des Entwurfs für den Koalitionsvertrag.
76 der 104 stimmberechtigten Mitglieder stimmen für den Vertrag und damit den Eintritt in ein Brombeer-Bündnis, 26 votierten dagegen, zwei enthielten sich. Das entspricht einer Zustimmungsquote von etwa 73 Prozent. Die Thüringer CDU hat ebenfalls bereits zugestimmt. Bei der SPD läuft noch eine Mitgliederbefragung.
In einer etwa einstündigen Debatte hatten sich am Samstag nur vereinzelt BSW-Mitglieder zu Wort gemeldet, die entweder dem Papier oder einem Bündnis mit CDU und SPD generell ablehnend gegenüber stehen. Die CDU sei ein unzuverlässiger Partner, der nicht für Frieden stehe, sagte eine Frau beispielsweise: »Das Kapital riecht seine Chance.« Auch andere Parteimitglieder erklärten, im Koalitionsvertrag sei eine neue Friedenspolitik nicht ausreichend verankert. Mehrere Anwesende nannten die CDU eine Partei von Kriegstreibern.
Die meisten BSW-Vertreter äußerten sich allerdings lobend und zustimmend zum Koalitionsvertrag. Dort seien viele Punkte enthalten, die auch im BSW-Programm zur Landtagswahl am 1. September enthalten waren, hieß es immer wieder. »Stillstand war lange genug«, sagte ein Redner. Eine Frau erklärte, sie freue sich, dass nach der Bildung eines Brombeer-Bündnisses die Thüringer CDU im Bundesrat nicht für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine stimmen könne. Diese Aussage ist allerdings irreführend: Eine solche Waffenlieferung müsste nicht vom Bundesrat genehmigt werden.
Vertreter des BSW-Landesvorstandes hatten zuvor ebenso nachdrücklich für die Annahme des Vertrages geworben wie auch die Gründerin und Namensgeberin der Partei, Sahra Wagenknecht. »Wir haben in Thüringen Weichen gestellt im Rahmen dessen, was wir hier bewegen können«, sagte sie. »Ich denke, das ist ein guter Kompromiss.« Im Koalitionsvertrag seien Dinge verankert worden, die die CDU eigentlich nicht gewollt habe. So seien ihr Formulierungen zum Themenfeld Krieg und Frieden abgerungen worden.
Die Thüringer BSW-Landesvorsitzenden Katja Wolf und Steffen Schütz betonten mehrfach die Verwurzelung des BSW in Ostdeutschland als Basis für seinen Blick auf die Welt. Die derzeitige Situation in Deutschland erinnere sie an die Wendezeit, sagte Wolf. Es sei »zu spüren, wie wir wieder genauso so an einem Wendepunkt stehen«. Schütz sagte, dass es dem jungen BSW gelungen sei, mit CDU und SPD zu verhandeln, die über Jahrzehnte hinweg gewachsen seien. Das liege an der ostdeutschen Sozialisation vieler Mitglieder. »Wir haben die ostdeutsche DNA. Wir wissen nämlich, was Improvisationsvermögen heißt.«
Dass es über Monate hinweg heftigen Streit vor allem zwischen Wolf und Wagenknecht sowie ihrem unmittelbaren Umfeld im Landes- und Bundesvorstand gegeben hatte, versuchte Wolf auf diesem Treffen als Erfindung der Medien zur Seite zu wischen. »Es tut mir in der Seele weh, wenn versucht wird, einen Keil zwischen Sahra und mich zu treiben«, sagte sie. »Wir sind zwei starke Frauen, die inhaltlich so nah beieinanderstehen.«
Wagenknecht räumte die Dissonanzen offener ein. Es habe in der innerparteilichen Debatte zuletzt einen Ton gegeben, den sie nicht gut gefunden habe, sagte Wagenknecht. »Wir alle waren angespannt, dass wir hier nichts falsch machen dürfen.« Zugleich mahnte die BSW-Chefin: »Wir müssen in den Koalitionen jetzt darauf beharren, dass alles, was wir vereinbart haben, auch gemacht wird.«
Tatsächlich hatten sich Wolf und Wagenknecht sogar öffentlich Vorhaltungen gemacht, während die Sondierungs- und Koalitionsgespräche liefen. Im Entwurf des Koalitionsvertrages hatte Wagenknecht zunächst das Fehlen zweier zentraler BSW-Forderungen moniert: Die Absage an weitere Waffenlieferungen an die Ukraine und ein eindeutiges Nein zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Der Kompromissformulierung dazu im jetzigen Vertragsentwurf gab die Parteigründerin dann jedoch ihren Segen.
In Ilmenau erklärte sie, ein Ziel der BSW-Regierungsbeteiligung in Thüringen sei es, den weiteren Aufstieg der im Freistaat von Björn Höcke geführten AfD zu verhindern: Die neue Regierung müsse eine so gute Politik machen, »dass viele von denen, die bei der letzten Wahl noch Herrn Höcke und die AfD gewählt haben, merken: Es braucht keine Partei mit Rechtsextremisten.«
Zugleich räumte Wagenknecht ein, dass die Zeit bis zur Bundestagswahl im Februar nicht ausreiche, um mit Maßnahmen in Thüringen dabei punkten zu können: »Bis Februar wird es sehr schwierig nachzuweisen, dass sich das Leben in Thüringen jetzt grundsätzlich verändert.«
Sollten alle beteiligten Parteien dem Koalitionsvertrag zustimmen, will sich CDU-Landeschef Mario Voigt am kommenden Donnerstag im Landtag der Wahl zum Ministerpräsidenten stellen. Zur eigenen Mehrheit fehlt CDU, BSW und SPD allerdings eine Stimme. Die drei Parteien hoffen daher auf Unterstützung der Linkspartei, wollen aber bislang keine schriftliche Vereinbarung mit ihr über die Zusammenarbeit schließen.
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