»Dreckiges Gas als grün verkaufen«

Der »Gegen-Gas-Gipfel« versammelte Kritiker aus aller Welt

  • Laura Meng
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei den Protesten gegen den World LNG Summit in Berlin
Bei den Protesten gegen den World LNG Summit in Berlin

»Wir mussten beweisen, dass wir überhaupt existieren«, empört sich Hereditary Chief Na’Moks auf dem »Gegen-Gas-Gipfel« am Sonntag in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin. Sie gehört der Wet’suwet’en First Nation an – einem indigenen Volk, das auf dem Gebiet der Provinz British Columbia in Kanada lebt und sich gegen den Bau einer Erdgaspipeline durch sein Gebiet wehrt.

Gas wird heute als fossile Brückentechnologie in der Energiegewinnung angepriesen. Für den Transport werden zunächst Pipelines benötigt, die wie in Kanada so groß sind, dass ein Kind in ihnen aufrecht stehen könnte. Für den Weitertransport per Schiff wird der Rohstoff in Flüssiggas (LNG) umgewandelt, wofür weitere Infrastruktur benötigt wird.

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Beim World LNG Summit treffen sich seit Montag im Berliner Hotel Adlon Kempinski Vertreter*innen der Erdgaslobby. Annka Esser vom Projekt Gaswende hat den Gegenkongress und den dazugehörigen Strategietag mitorganisiert. Die fossile Gas-Lobby feiere sich dafür, dass »sie es geschafft hat, dreckiges Gas als grün zu verkaufen«, erläutert Esser gegenüber dem »nd«. Der Gegengipfel solle nicht nur den Protest zum Ausdruck bringen, sondern sei auch ein Ort der Vernetzung und des Austausches im Zeichen des Kampfes gegen LNG. Gäst*innen aus Brasilien, Mexiko, den USA, der Ukraine und Vertreter der Wet’suwet’en sprachen am Sonntag und Montag auf der Konferenz über ihre Kämpfe und Projekte.

Die Wet’suwet’en sehen sich nicht als Kanadier*innen und haben die Gesetze der Kolonialmacht nie angenommen. Das Gebiet, in dem sie leben, betrachten sie als ihres und sich als Teil des Landes. Jedoch hat das Volk nach kanadischem Recht keinen Anspruch darauf. Die Dokumentation »Yintah«, die am Montag gezeigt wurde, schildert sehr eindrücklich, wie die Haltung der indigenen Wet’suwet’en von der LNG-Industrie und der kanadischen Regierung missachtet wird und wie die Bewohner*innen des Gebietes sich seit Jahren zur Wehr setzen. »Yintah« bedeutet Land, und so zeigt der Film einen territorialen Kampf, der die Kolonialisierung indigener Gebiete fortführt. Der Gewinner des Publikumspreises auf dem Dokumentarfilmfestival in Toronto gibt Einblicke in Konfrontationen vor Ort mit Arbeitern des Unternehmens Costal Gas Link, mit der Polizei und sogar mit Premierminister Justin Trudeau und begleitet auch den jahrelangen Rechtsstreit der Wet’suwet’en um ihr Gebiet.

Der Widerstand gegen den Bau der Pipeline durch ihr Gebiet ist nicht mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der Wet’suwet’en. Viel mehr geht es um den Schutz der Natur und der lebenswichtigen Ressourcen, die diese ihnen bietet. Insbesondere die Fracking-Technologie hat einen extrem hohen CO2-Ausstoß und fördert unter anderem Krebs und Atemwegserkrankungen.

Was den Kampf enorm erschwert, ist das Greenwashing der fossilen Energiequelle. »Sie verkaufen es als grünes Projekt«, erklärte die Mexikanerin Claudia Campero von der Initiative Conexiones Climáticas in einem Workshop. Sie spricht von der Pipeline »Saguaro Connector«, die sich von den Förderregionen im US-Bundesstaat Texas durch die mexikanischen Regionen Chihuahua und Hermosillo bis zum Golf von Kalifornien erstrecken soll, wo der Weitertransport mit riesigen LNG-Tankern geplant ist. Um Menschen die Auswirkungen näher zu bringen, hat Campero das »Whales or Gas Project« mit ins Leben gerufen. »Die Wale sind ein Identifikationsmittel für die Menschen«, erläutert sie.

Andy Gheorghiu, freiberuflicher Campaigner, hat in diesem Jahr die Zusammenarbeit zwischen mexikanischen und US-amerikanischen Aktivist*innen initiiert. Gegenüber dem »nd« unterstreicht er, wie insbesondere in Texas viele schwarze Menschen vom Ausbau der Pipeline betroffen sind.

Hereditary Chief Na’Moks wiederum betont, dass er zwar alle Menschen als gleich ansieht, jedoch wären sie unterschiedlich betroffen, denn: »LNG geht auf die Kosten indigener Menschen.«

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