Werbung
  • Berlin
  • »Berliner Toilette«

Vertagte Notdurft: Öffentliche WCs bleiben wohl kostenpflichtig

Dass mehr öffentliche Toiletten in Berlin kostenlos werden, ist unwahrscheinlich

Ein Rollstuhlfahrer fährt bei einem Pressetermin an der Gustav-Meyer-Allee/ Brunnenstraße in die erste neue Berliner Toilette.
Ein Rollstuhlfahrer fährt bei einem Pressetermin an der Gustav-Meyer-Allee/ Brunnenstraße in die erste neue Berliner Toilette.

Am Donnerstag sollte im Berliner Abgeordnetenhaus eigentlich über einen Antrag der Linksfraktion über kostenlose öffentliche Toiletten beraten werden. Die Fraktion fordert mehr Standorte für die WC-Anlagen in Berlin und möchte die Nutzungsgebühren gänzlich aufheben. Dazu kam es in der dafür vorgesehenen Sitzung des Umweltausschusses nicht, die Beratung wurde durch die Stimmen der Regierungskoalition aus Zeitmangel zum zweiten Mal vertagt.

In dem im Februar eingereichten Antrag heißt es, die Toilettenversorgung sei »öffentliche Daseinsvorsorge« und sei daher »durch die entsprechende Infrastruktur abzusichern«. Gefordert werden darin die Erweiterung des bereits existierenden Toilettennetzes, ökologische und wasserschonende Technologien dafür, sowie eine vollständige Barrierefreiheit für alle Menschen.

Bisher waren 107 sogenannte »Berliner Toiletten« – also vollautomatische WC-Anlagen mit Pissoirs – durch ein zweijähriges Testprojekt kostenlos nutzbar, für die restlichen 171 WCs des Betreibers »Wall« müssen bei Nutzung der Sitztoilette 50 Cent entrichtet werden.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Katalin Gennburg wirft der Senatsverwaltung nun vor, dass CDU und SPD jetzt »auf halber Strecke stehen« blieben und sich weigerten, »auch für die Mehrzahl der öffentlichen Sitztoiletten, für die weiterhin ein Entgelt entrichtet werden muss, die kostenfreie Nutzung zu erwirken«. Der Betreiber und das Land Berlin hatten sich im Sommer zwar darauf geeinigt, die 107 Toiletten auch nach dem zweijährigen Testzeitraum weiterhin kostenlos anzubieten, kündigten aber keine Ausweitung an, wie sie im Februar offensichtlich noch geplant war. Das dürfte nun ohnehin unwahrscheinlich sein: 800 000 Euro, die der Senat im vergangenen Haushalt zusätzlich für den Betrieb in die Hand genommen hatte, sollen nun wegfallen.

Wie der Zugang zu öffentlichen Toiletten geregelt ist, stellt in Berlin seit Jahren einen Streitpunkt dar. Es gehe um »Teilhabe für Komfort, Mobilität für Menschen mit Harninkontinenz und um Barrierefreiheit, und, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, es geht auch um Feminismus«, begründete Gennburg den Antrag in der Anhörung im Februar. Damit ist gemeint, dass etwa die Pissoirs immer kostenfrei zu erreichen sind, während für die Sitztoilette bezahlt werden muss. Das ist gegenüber denjenigen diskriminierend, die nicht im Stehen pinkeln können oder wollen.

Das Entgelt ist dabei nicht die einzige Barriere, die es bestimmten Menschen schwierig macht, ihre Notdurft zu verrichten: Die von »Wall« betriebenen WCs verfügen seit zwei Jahren über keinen Münzschlitz mehr, stattdessen wurde ein Kartensystem eingerichtet. Damit soll nach Angaben des Senats »Bezahlkomfort und damit auch die Nutzungszahlen der Anlagen« weiter erhört werden. Für viele Obdachlose oder auch Jugendliche stellt dies wiederum ein Problem dar: Beide Gruppen verfügen in Deutschland oft nur über Bargeld.

Neben den von »Wall« betriebenen Toiletten gibt es in Berlin auch noch ein laufendes Projekt zu autarken Öko-Toiletten in Stadtparks. 24 davon, die gänzlich ohne Strom und Wasseranschluss funktionieren, wurden während der letzten Legislaturperiode zur kostenlosen Nutzung in den Bezirken aufgestellt. Insgesamt gibt es in Berlin derzeit 472 öffentliche Toiletten.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.