Per Leo: Was soll man zum Krieg in Gaza sagen?

Abstimmungen, Ärger und Austritte bei PEN Berlin

  • Niko Daniel
  • Lesedauer: 3 Min.
Frisch ausgetreten: Diedrich Diederichsen
Frisch ausgetreten: Diedrich Diederichsen

Kürzlich gab PEN Berlin bekannt, mit mittlerweile 730 Mitgliedern die »mitgliederstärkste Autorenvereinigung im deutschsprachigen Raum« zu sein. Nun sind es wieder weniger geworden: Nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die am vergangenen Sonntag online stattfand, haben rund 40 Personen PEN Berlin verlassen, weil sie mit einer Resolution zum Gaza-Krieg nicht einverstanden waren, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, »alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen Waffenstillstand zu erwirken«.

Für eine Resolution standen insgesamt drei Entwürfe zur Abstimmung. Vereinfacht gesagt: ein propalästinensischer, ein proisraelischer und ein dritter als Kompromiss. Dieser Entwurf siegte mit nur einer Stimme Mehrheit gegen die propalästinesische Resolution, mit 83 gegen 82 Stimmen. Darin heißt es: »Wir sind zutiefst besorgt, wie viele Literat:innen, Journalist:innen und Intellektuelle seit Beginn des Krieges im Gazastreifen getötet, wie viele kulturelle Einrichtungen, Bildungsstätten und Universitäten zerstört wurden.« Ebenso wird die Ermordung israelischer Journalisten durch die Hamas verurteilt und festgestellt: »Dieser Krieg hätte nicht begonnen, wenn die Hamas Israel am 7. Oktober nicht angegriffen und ein Terrormassaker verübt hätte.«

Insbesondere die Erwähnung der Hamas hielten die Unterstützer des propalästinensischen Vorschlags für überflüssig. Auf Deutschlandfunk Kultur nannte der Schriftsteller und Historiker Per Leo am Mittwoch die letztlich verabschiedete Resolution ein »windelweiches Kompromisspapier«. In dem knapp unterlegenen Entwurf, den er mit 27 weiteren PEN-Mitgliedern eingebracht hatte, war die Bundesregierung politisch etwas schärfer formuliert aufgefordert worden, sich »für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, die Befolgung der völkerrechtlich bindenden Entscheidungen des IGH und einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen«. Das Hamas-Massaker vom 7. Oktober wurde dabei nicht explizit erwähnt.

Wie Leo im Radio sagte, seien die 28 Unterstützer dieses Entwurfs »zu gut zwei Dritteln jüdisch, muslimisch, arabisch, palästinensisch und israelisch«. Nachdem sie die Abstimmung verloren hatten, verließen sie die Organisation. Wie in einem offenen Brief in der »Frankfurter Rundschau« zu lesen war, forderten sie den Rücktritt der beiden PEN-Sprecher Deniz Yücel und Thea Dorn, weil sie politisch überfordert seien. Unterzeichnet wurde diese Erklärung neben Per Leo unter anderem von Fadi Abdelnour, Ramy al-Asheq, Mohammad Al Attar, Donat Blum, Marion Detjen, Diedrich Diederichsen, Tomer Dotan-Dreyfus, Deborah Feldman, und Stefan Weidner.

Es gibt aber auch 24 Mitglieder, die die Kompromiss-Resolution zwar unterstützten, sich aber anschließend davon distanzierten, weil darin auch von Israel getötete Autoren aus dem Hamas-Spektrum genannt werden, »die gegen Jüd:innen gehetzt haben und/oder als Propagandist:innen des Terrors von Hamas und Hisbollah tätig waren«, wie es in einer weiteren Erklärung heißt, die auf »Perlentaucher« veröffentlicht wurde.

Sie wurde unter anderem von Yevgeniy Breyger, Alexander Estis, Anne Lepper, Ronya Othmann und Stephan Wackwitz unterzeichnet, die aber nicht austraten. Der Historiker Ilko-Sascha Kowalzuk trat ebenfalls aus und gab dies auf X bekannt: Er halte nichts von »unnützen politische Erklärungen«, mit denen man die Welt nicht verbessere.

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