- Berlin
- Nahverkehr
Krise der BVG dauert bis Ende 2026
Ende 2026 soll die U-Bahn-Krise Geschichte sein, verspricht BVG-Chef Henrik Falk
Der BVG-Vorstandschef Henrik Falk sagt es deutlich: »Das, was wir gerade bringen, entspricht nicht unserem Anspruch.« Er verspricht am Freitagmorgen für die nächsten Jahre »vollen Einsatz für und vollen Fokus auf die Stabilität im täglichen Betrieb« bei den Berliner Verkehrsbetrieben.
Er tut das zusammen mit BVG-Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe in der Betriebswerkstatt Friedrichsfelde im ersten neuen U-Bahnzug für die U5, den Hersteller Stadler Rail vor einigen Wochen abgeliefert hat. Während die ersten zwei Wagen fertig eingerichtet wirken, fehlen weiter hinten noch Sitzbänke; auf dem Boden liegen Sandsäcke, mit denen bei Testfahrten das Gewicht von Fahrgästen simuliert wird.
Doch über den neuen U-Bahnzug will das BVG-Vorstandsteam gar nicht en détail sprechen, sondern »über die wesentlichen Blöcke des Zusammenspiels zwischen Betrieb, Infrastruktur und den Fahrgästen«, wie Falk sagt. Also über den Stabilisierungskurs für das runtergerockte Landesunternehmen. Zumindest bei U-Bahn und Bus sei der Abwärtstrend gestoppt, heißt es.
Weiter viele Ausfälle bei der U-Bahn
In den ersten elf Monaten des Jahres 2024 fielen beim Bus weniger als 2 Prozent der Fahrten aus, 2023 waren es noch fast 5 Prozent. Während bei der Straßenbahn die Ausfälle im Vergleich mit dem Vorjahr von 2,5 auf 3,5 Prozent stiegen, schnellten die ausgefallenen Fahrten bei der U-Bahn von 2,5 Prozent im Jahr 2023 auf 6 Prozent im laufenden Jahr hoch. Mitte September war bei U1 bis U9 der Tiefpunkt erreicht, als nur noch 85 Prozent der Fahrten überhaupt stattfanden. Nach Einschnitten im Fahrplan konnte die Quote ab Oktober immerhin bei 92 bis 94 Prozent stabilisiert werden.
Längere Züge für die U3
In »Rekordgeschwindigkeit« sollen ab September 2025 nach jahrelangen Verzögerungen die neuen U-Bahnzüge in den Fahrgastverkehr kommen. Zunächst sind die schmaleren Züge des sogenannten Kleinprofils der Linien U1 bis U4 dran. Als Erstes soll die U3 umgestellt werden, und zwar auf Züge mit der Maximallänge von acht Wagen. Derzeit sind oft nur Vier-Wagen-Einheiten unterwegs, obwohl eigentlich sechs Wagen vorgesehen sind. »Wir wollen den Fahrgästen etwas zurückgeben«, sagt BVG-Chef Henrik Falk.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Ab Herbst 2025 soll auf U1 bis U4 wieder der reguläre Fahrplan gelten, bis Jahresende 2025 sollen »im Idealfall« alle 140 Wagen der Bestellung abgeliefert sein. Mehr Fahrzeuge wird es damit nicht geben, da für jeden neuen Zug einer der bis zu 60 Jahre alten Bestandszüge in den Schrott wandern soll. Henrik Falk betont, dass unter dem Strich aber viel mehr Fahrzeuge tatsächlich für den Betrieb zur Verfügung stehen werden. Denn derzeit steht rund ein Viertel der überalterten Flotte permanent in der Werkstatt.
Besserung bei U5 bis U9 erst 2026
Etwas länger gedulden müssen sich die Fahrgäste im Großprofil der Linien U5 bis U9. Hier soll die Serienlieferung der im ersten Abruf bestellten 236 Wagen im Juli 2026 beginnen. Weil die Fahrzeuge nicht nur breiter, sondern auch länger sind, sind im sogenannten Großprofil Sechs-Wagen-Züge das Maximum. Als erste Linie soll die U5 umgestellt werden. Damit verschwinden dann die bei Fahrgästen ungeliebten, weil engeren, adaptierten Kleinprofilzüge von der Linie.
Zügig sollten die neuen Fahrzeuge aus dem Pankower Werk von Stadler Rail auch auf anderen Linien auftauchen, denn die über 39 Züge sollen bis Jahresende 2026 ausgeliefert sein. Bis Ende 2027 sollen weitere 108 Wagen für das Großprofil folgen. Am Donnerstag hat der Aufsichtsrat der BVG grünes Licht für diesen zweiten Abruf gegeben.
»Wir wollen den Fahrgästen etwas zurückgeben.«
Henrik Falk BVG-Chef
Mit den nun insgesamt 484 fest bestellten U-Bahn-Wagen ist damit bisher nicht einmal der vertraglich mit Stadler Rail vereinbarte Mindestabruf von 606 Fahrzeugen erreicht. Es bleibt weiter fraglich, ob der im Verkehrsvertrag zwischen Senat und BVG vorgesehene Kauf von über 1000 neuen Wagen für die U-Bahn stattfinden wird, obwohl der zuständige Referatsleiter in der Senatsverkehrsverwaltung das kürzlich im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses explizit zugesichert hatte.
Live-Ansagen mit Empathie
Werkstätten, Digitalisierung, Instandsetzung der Infrastruktur, Personalgewinnung – es gibt zahllose weitere Baustellen bei der BVG. Als »Pilotprojekt« verspricht sie ab Januar 2025 die »empathische Unterstützung« der U-Bahnfahrgäste mit »Live-Ansagen« auf Deutsch und Englisch bei Störungen und Ausfällen. Ab 2026 soll eine neue App die Positionen aller Busse und Bahnen in Echtzeit anzeigen. Bisher werden solche vorgeblichen Echtzeitinfos nur simuliert – sind also keine wirkliche Hilfe.
»Der Regierende Bürgermeister hat eine Rückkehr zum Normalfahrplan für Anfang 2025 versprochen – doch die BVG zeigt klar, dass dies völlig unrealistisch ist«, kommentieren die Grünen-Verkehrspolitikerinnen Antje Kapek und Oda Hassepaß die Vorstellung des Stabilisierungskonzepts der BVG.
Haushaltskürzungen auch bei der BVG
Die »drastischen Haushaltskürzungen« von CDU und SPD auch im Mobilitätsbereich schwächten die BVG zusätzlich und nähmen ihr »die Möglichkeit, dringend notwendige Verbesserungen umzusetzen«, so die beiden Politikerinnen.
BVG-Chef Henrik Falk gibt sich da betont gelassen. Alle hätten erkannt, »dass es ernst ist, das Unternehmen neu aufzustellen, alles zu tun, um die wesentlichen Dinge umzusetzen«, so sei die Stimmung bei der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag gewesen. »Dafür ist das Geld auf jeden Fall da. Deswegen bin ich immer entspannter an der Stelle, weil ich mich nicht über irgendwelche Mondzahlen streite.« Die BVG habe es in den letzten Jahren gar nicht geschafft, die Investitionen, die man sich vorgenommen hat, umzusetzen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.