- Kommentare
- Armut
Sollen sie Margarine essen
Sarah Yolanda Koss über die Armutsentwicklung zum Jahresende
Es ist wieder diese Zeit im Jahr, in der die Arbeit der Bahnhofsmission plötzlich von Fernsehkameras begleitet wird, der Begriff Nächstenliebe in aller Munde ist und wir uns beseelt fragen … wer zur Hölle kann sich die Butter noch leisten?
Die Antwort: immer weniger Menschen. Wie der Paritätische Wohlfahrtsverband Ende der Woche vermeldete, macht schon Wohnen inzwischen arm. Zieht man Warmmieten von den Einkommen ab, bleibt vielen nur noch wenig zum Leben. Tatsächlich sind wohl 21,2 Prozent der Bevölkerung von Wohnarmut betroffen. Das sind 5,4 Millionen Menschen mehr als ursprünglich angenommen. Sparen wollen Betroffene meist zuerst im Supermarkt. Doch die Lebensmittel wurden erst im November wieder teurer, weil große Supermarktketten mit Marktmonopol ihre Preise gerne über die Inflation hinaus anheben und dabei unzureichend reguliert werden.
Was das für Auswirkungen auf Lebensrealitäten hat, merkt man an den Tafeln, die Menschen mit geringen Einkommen mit Lebensmitteln versorgen. 60 Prozent der Zweigstellen müssen, Stand Freitag, inzwischen ihr Angebot rationieren. Bei einem Drittel stehen Armutsbetroffene auf Wartelisten. Die Wohlfahrt soll auffangen, wo der Staat versagt. Derzeit kommt sie nicht hinterher. Die Reste der Ampel-Regierung stehen indes da, winken mit einer geschwächten Mietpreisbremse und diskutieren Mehrwertsteuersenkungen für Lebensmittel, die schon nach den letzten Wahlversprechen nicht umgesetzt wurden. Die Realitätsferne hat fast schon etwas Marie-Antoinette-Haftes.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.